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Deutschland hat die besten Autofahrer – oder etwa nicht?

Posted in Autofahren, Bericht, Nachdenkliches, and Standpunkt

Zwei Wochen Toskana. Um genau zu sein in Poppi, das ein Dreieck  mit Florenz und Arezzo bildet. 

Zwei Wochen italienische Straßen und Autofahrer. 

Zwei Wochen schmale Straßen und immer die Hoffnung während man sie befuhr: Hoffentlich kommt uns niemand entgegen. Aber wenn das passierte, fand man eine Lösung, an der der italienische Autofahrer nicht unbeteiligt war. 

Zwei Wochen Verkehrsanarchie. Stoppzeichen dienen der Zierde am Straßenrand, Überholverbotsschilder ebenso und Geschwindigkeitsbegrenzung werden eher als Anreiz gesehen, das angegebene Maximaltempo möglichst hoch zu überbieten. 

Zwei Wochen und dann immer wieder das: Ein Radfahrer am Straßenrand und all das was man vorher noch erlebt hat mit italienischen Autofahrern ist vorbei. Es wird gebremst und hinter dem Radfahrer hergezockelt, als sei das das Natürlichste auf der Welt.
Kein Motoraufheulen, kein Drängeln, kein Hupen, kein Vorbeiquetschen und Zentimeter dicht überholen. Mustergültige Autofahrer. die ihr anarchistische Fahrweise erst wieder aufnehmen, nach dem sie den Radfahrer in weitem Bogen überholt haben. Selbst auf der Landstraße, hier dürfen immerhin 90 km/h gefahren werden, wird hinter zwei nebeneinander fahrenden Radfahrern geduldig hinterher gezockelt. Kein Hupen, kein Schimpfen, keine Drohgebärden, kein Vogel und auch kein Stinkefinger. Nur warten, bis weiträumig überholt werden kann, um dann das Spiel der Anarchie erneut zu starten. 

Ist es gelungen, sich dieser Fahrweise bzw. dem Gedanken, der dahinter steht, anzupassen, so ist das Fahren in Italien entspannend. Dicht befahrene Kreisverkehr sind kein Problem. Man vermindert etwas die Geschwindigkeit und wenn man einfährt ist wie von Zauberhand die Lücke da, in die man sich einfädeln kann. Trotz Temperament und Fahrfreude sind die italienischen Autofahrer sehr rücksichtsvoll und jederzeit bereit, fünf gerade sein zu lassen. So fährt man recht entspannt.

Unsere Rückfahrt von Poppi führte zuerst über den Consuma-Paß. Eine kurvenreiche Strecke, die schon eine gewisse Magenfestigkeit voraussetzte. Eine schöne Fahrt in die aufgehende Morgensonne.

Sonnenaufgang in der Toskana
Sonnenaufgang in der Toskana

In Florenz durch den Berufsverkehr. Dort ging es zwar etwas langsamer, aber flüssig durch. Nicht zuletzt wegen der oben beschriebenen Lässigkeit und Großzügigkeit beim Fahren. So war es selbstverständlich, dass man so fuhr, dass zwischen eigener Fahrbahnseite der gegenüberliegenden Seite genügend Platz verlieb, dass Vespas hier bequem und sicher an den Autos vorbeiziehen konnten. Wenn ich nur daran denke in Köln ein Auto mit dem Fahrrad zu überholen, das an einer Roten Ampel steht. Meist wird schnell noch rübergezogen, dass man nicht mehr vorbei kommt. Ist das nicht gelungen: Gehupe, Geschimpfe, Stinkefinger. 

Ich höre jetzt schon einige Sagen: Dann geh doch nach Italien, wenn es dort besser ist. Ja, würde ich gerne, aber 1. sind Familie und Freunde hier und 2. ist in Italien nicht alles besser, sodass man leichtfertig seine Heimat verlässt. Man kann aber durchaus darauf hinweisen, was in einem anderen Land vielleicht besser funktioniert. 

Nach Florenz ging es auf die Autobahn. Höchstgeschwindigkeit 120 km/h. Interessanterweise wurde diese nicht wesentlich überschritten. Der Verkehr lief flüssig und entspannt. Spurwechsel kein Problem, wenn alle die gleiche Geschwindigkeit fahren, wird man seltener überholt. So entfallen starkes Abbremsen, wenn von hinten einer angeschossen kommt ebenso, wie wieder Beschleunigen, wenn dieser Vorbei ist. Der Spritverbrauch zeigt diese gleichmäßig Fahrweise zwischen 120 und 130 durch einen in Deutschland noch nie erreichten geringen Verbrauch. 

In der Schweiz war das Fahren etwas nerviger. Ständig wechselnde Höchstgeschwindigkeit, Verbunden mit dem Ruf von Kontrollen und drastischen Strafen. Vorsicht war geboten. Gut, auch die Schweiz wurde entspannt und problemlos durchfahren. 

Nach einer Übernachtung in Weil am Rhein ging es dann endgültig wieder auf deutsche Autobahnen. Das Navi kündigte an, wir seien um 13.09 Uhr in Köln. Schön wäre es gewesen! Über zwei Stunden später kamen wird an. Zwei Staus von 10 km Länge an Baustellen, an denen selbstverständlich an einem Samstag nicht gearbeitet wurde. Wo kämen man auch hin, wenn die Arbeiten so schnell wie möglich beendet wären? Kein Stau, kein Mehrverbrauch an Sprit, keine höheren Steuereinnahmen durch den Mehrverbrauch. 

Ständiges Abbremsen und wieder Beschleunigen. Auf der linken Spur wechselte das Tempo zwischen 125 km/h und 30 km/h. Grundlos und nicht erkennbar warum. Bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 120 km/h Autofahrer auf der linken Spur mit 82. Sie lieferten den Lkws das Elefantenrennen, das eigentlich verboten ist. War in einigen Kilometer Entfernung ein weiterer Lkw zu erkennen, so blieb man gleich links. Die Geschwindigkeit wurde dabei natürlich nicht erhöht. Warum auch, bei 80 km/h ist der Spritverbrauch eine Autos doch sehr gering. Man tut was für die Umwelt.

Schon in Frankfurt hatte ich Schnauze voll. Die relativ kurze Fahrt bis dorthin war anstrengender als die gesamte Fahrt am Tag vorher. 

Lücken wurden geschlossen, damit ja keiner auch nur einen Millimeter weiter kam als man selber, selbst wenn am Rand mehrfach große Schilder auf das Reißverschlussverfahren hinwiesen.
Rettungsgasse bei Stau? Aber nein, warum auch. Dann kann man ja nicht mehr sehen, ob sich vorne was bewegt. Und wenn jemand Hilfe braucht, dass wird nicht so dringend sein.

Die Freiheit, die man in Deutschland so sehr mit freier Fahrt verbindet, gibt es nicht!
Wo eine Geschwindigkeitsbeschränkung angegeben ist, kann man getrost davon ausgehen, dass dort Stau ist. Wahrscheinlich deshalb auch diese kilometerlangen Baustelleneinrichtungen. Die sind im Grunde nicht nötig, begrenzen aber die Geschwindigkeit und der deutsche Michel merkt nicht, dass es mit seiner Freiheit nichts ist und auch nichts mehr werden wird, bei den maroden und reparaturbedürftigen Straßen und Brücken. Warum dann nicht konsequenterweise ein Tempolimit, dass für einen gleichmäßigen Verkehrsfluss sorgt und ein entspanntes Fahren möglich macht. Meine Durchschnittsgeschwindigkeit auf der Strecke durch Italien und der Schweiz war trotz Passfahrt und Berufsverkehr höher als auf der Autobahn in Deutschland. 

Es lebe die Freiheit! Kein Tempolimit! Die Straße gehört mir!