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Denke ich an Deutschland vor der Wahl …

Posted in Nachdenkliches, Politik, and Standpunkt

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… wird die Entscheidung mir zur Qual gemacht.

Zwei Mal muss ich in diesem Jahr wählen gehen. Die Landtagswahl im Mai in NRW und die Bundestagswahl im September. Beide Wahlen, so unterschiedlich sie auch sind, bereiten mir ähnliche Probleme, denn das, was für die Zukunft meines Erachtens wichtig ist, wird nicht angesprochen und ist so von einem Lösungsansatz weit entfernt.

Obwohl seit mehreren Legislaturperioden bekannt und als wichtig eingestuft, fehlt die Digitalisierung in der Themenliste der Parteien. 

Mal abgesehen davon, dass bekannterweise die Schulausstattung diesen Anforderungen nicht entspricht, so ist es in Grundschulen zusätzlich so, dass viele Lehrer nicht über die entsprechenden Medienkompetenzen verfügen. Durch die mangelnde Ausstattung und fehlende methodisch-didaktische Konzepte, ergibt sich auch nicht die Notwendigkeit, diese Kompetenzen zu erwerben. 

Digitalisierung ist allerdings ein Zukunftsthema, das auch über die Entwicklung unseres Landes bestimmen wird. Um so bedenklicher finde ich, dass es bei keiner Partei zum Thema gemacht wird und eine entsprechende Zukunftsvision entwickelt wurde.

Schon in ein paar Jahren werden uns weitere Auswirkungen der Digitalisierung treffen. 

Ein Beispiel:
Im Moment häufen sich die Meldungen über Fahrzeuge, die autark fahren können. Auf Teststrecken sind sie erfolgreich unterwegs und Teilaspekte dieser Technik sind heute schon in vielen Autos verarbeitet: Spurassistent, Bermsassistent, Lichtassistent und so weiter.

In der Schweiz wird auf Teststrecken im öffentlichen Bereich ein selbstfahrender Kleinbus getestet und Googles Fahrzeuge fahren die Straßen selbstständig ab und machen für Google Maps die benötigten Fotos.

Die Zukunft hat also schon begonnen, wird sich aber in den kommenden Jahren enorm weiterentwickeln. Die Geschwindigkeit dieser Entwicklung wird sich noch beschleunigen.

Was hat das für Auswirkungen? 

Taxifahrer werden nicht mehr benötigt, Autos fahren auf Bestellung vor die Haustür und bringen uns dorthin, wo wir hinwollen.
Lkws fahren wie von Geisterhand vom Ausgangs- zum Zielort.
Ein eigenes Auto wird niemand mehr besitzen. Warum auch?
Eine positive Folge wird sein, dass nicht mehr die Straßen als Abstellfläche für parkende Pkws benötigt werden. Mehr Gestaltungsfläche für eine lebenswertere Stadt.

Das heißt aber auch, dass nicht mehr so viele Arbeitsplätze in der Autoindustrie benötigt werden. Das wäre auch die Folge, wenn mehr Elektroautos produziert würden. 

Viele weitere Arbeitsplätze werden durch die Digitalisierung wegfallen. Experten rechnen damit, dass mindestens die Hälfte der Arbeitsplätze wegfällt oder anders herum, nur noch maximal die Hälfte der Menschen eine Arbeit haben werden.

Was aber passiert, wenn die Hälfte der Deutschen keine Arbeit mehr haben.

Werden sie dann von ÖR, RTL, Pro7 usw. unterhalten und von der eigenen Situation abgelenkt?
Erhalten sie ein bedingungsloses Grundeinkommen, um angemessen und gut leben zu können?
Welche Verpflichtungen haben sie zum Wohle der Allgemeinheit zu erfüllen?

Fragen über Fragen, auf die ich gerne eine Antwort hätte.

Eine weitere, für mich außerordentlich gravierende Frage ist, wann unser Schulsystem endlich auf die sich ändernden Anforderungen umgestellt wird. 

Das Selektionsverfahren, das bis heute Grundlage allen pädagogischen Handelns ist, ist nicht mehr der Weisheit letzter Schluss um unsere Kinder für die Zukunft zu rüsten. 

Lehrer dürfen nicht mehr die Note als Selektionsmittel nutzen, sondern müssen zum Lernbegleiter und Moderator werden. Der Lehrer als Alleinunterhalter vor der Klasse sollte langsam aber sicher vorbei sein.

Lebenslanges Lernen, ohne dass jemand da steht und dazu auffordert, ist das, was gebraucht wird. Intrinsische Motivation muss gefördert werden, ebenso wie der Blick auf die Stärken unserer Schüler. Der Blick auf die Stärken macht es zudem einfacher, Schwächen zu fördern.

Dazu brauchen wir einen anderen Lehrertyp, eine andere Struktur von Schule. Diese muss sich schon beim Gebäude anpassen. Schulgebäude müssen vielfältig nutzbar und nicht nur auf Klassenunterricht ausgerichtet sein. Die Ausstattung muss ohne wenn und aber in Sachen Computer vorhanden sein, wenn auch klar ist, dass diese in der Grundschule nicht allein seligmachend ist. 

Methodisch-didaktische Konzepte müssen vorhanden sein und den Lehrern zur Verfügung stehen.

Um das Schulsystem flexibel zu halten und ungeeignete Lehrer  ausschließen und eine Gehaltsabstufung nach Leistung einführen zu können, erscheint mir eine Beamtung von Lehrern als ungeeignet.

Ob Schule bzw. Bildung weiterhin in Länderhand liegen sollte, muss dringend diskutiert werden. Wie unterschiedlich diese Aufgabe wahrgenommen wird, kann man im Vergleich der Bundesländer gut beobachten.

Das sind nur zwei Beispiele Zukunftsfragen, denen wir uns dringend stellen müssen. Diese Liste ist erweiterbar und differenzierbar. 

Warum werden sie nicht angesprochen? 

Ist unsere Politik so kurzsichtig? 

Wir immer nur nach Schema F verfahren. Problem, Reaktion: Versuch einer Problemlösung. Klappt das nicht, der nächste Versuch einer Problemlösung. Und so weiter. Und so weiter. 

Arbeitslosengeld Q ist wenig geeignet, diese Probleme zu lösen, sondern nur ein Mittel, um Stimmen zu gewinnen. Leider sehe ich im Moment bei keiner der sich bewerbenden Parteien innovative Zukunftsvisionen, sondern wieder nur ein weichgespülter Wahlkampf, der Probleme anspricht, die in der Fehlentwicklung der Vergangenheit liegen. 

Von Zukunft ist wenig zu spüren.

 

ANMERKUNG

Sicherlich kam Ihnen die Überschrift irgendwie bekannt vor. Das hängt damit zusammen, dass ich sie in Anlehnung an das Gedicht von Heinrich Heine „Nachtgedanken“ formuliert habe, in der die erste Zeile lautet:
Denk‘ ich an Deutschland in der Nacht, …

Nachtgedanken

Denk‘ ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen.
Und meine heißen Tränen fließen. 

Die Jahre kommen und vergehn!
Seit ich die Mutter nicht gesehn,
Zwölf Jahre sind schon hingegangen;
Es wächst mein Sehnen und Verlangen. 

Mein Sehnen und Verlangen wächst.
Die alte Frau hat mich behext,
Ich denke immer an die alte,
Die alte Frau, die Gott erhalte! 

Die alte Frau hat mich so lieb,
Und in den Briefen, die sie schrieb,
Seh ich, wie ihre Hand gezittert,
Wie tief das Mutterherz erschüttert. 

Die Mutter liegt mir stets im Sinn.
Zwölf lange Jahre flossen hin,
Zwölf lange Jahre sind verflossen,
Seit ich sie nicht ans Herz geschlossen. 

Deutschland hat ewigen Bestand,
Es ist ein kerngesundes Land;
Mit seinen Eichen, seinen Linden,
Werd ich es immer wiederfinden. 

Nach Deutschland lechzt ich nicht so sehr,
Wenn nicht die Mutter dorten wär;
Das Vaterland wird nie verderben,
Jedoch die alte Frau kann sterben. 

Seit ich das Land verlassen hab,
So viele sanken dort ins Grab,
Die ich geliebt – wenn ich sie zähle,
So will verbluten meine Seele. 

Und zählen muß ich – Mit der Zahl
Schwillt immer höher meine Qual,
Mir ist, als wälzten sich die Leichen
Auf meine Brust – Gottlob! sie weichen! 

Gottlob! durch meine Fenster bricht
Französisch heitres Tageslicht;
Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen,
Und lächelt fort die deutschen Sorgen.

  • Heinrich Heine