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Offener Ganztag in der Grundschule – Chance vertan.

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Ich erinnere mich noch gut daran, als die Horte aufgelöst werden und der offene Ganztag in die Schulen Einzug halten sollte. Das war die Zeit, kurz bevor ich Rektor wurde und ich sah die Chancen, die sich hinter dieser Integration von weiteren Professionen ergeben könnten. Damals war ich auch noch der Meinung und hatte die Hoffnung, dass die Hortmitarbeiterinnen in die Schulen übernommen würden. Das war leider nicht so. Ein besonderes Konstrukt sollte den offenen Ganztag in den Schulen etablieren.

Organisation und Träger

Träger sollten sich sowohl um die finanziellen Belange, um die Administration und auch um die pädagogische Betreuung kümmern. Letzteres natürlich in enger Zusammenarbeit mit Schulleitung und Schule. Dafür erhielt der Träger eine meines Erachtens nicht geringe Pauschale.

Aber, Geld ist begrenzt und so wurde als erstes bei den Beschäftigten gespart. Meist wurde Mindestlohn gezahlt und alles, was darüber hinaus ging, musste schwer erkämpft werden. Da die Arbeit aber höchstens eine halbe Stelle war, konnte sie bei dem Stundensatz natürlich keinen Mitarbeiter ernähren und auch nicht wirklich motivieren – zumindest nicht auf Dauer. Fachkräfte, wie die Horterzieher, waren zu teuer und blieben außen vor, mussten sich einen anderen Job suchen oder das Angebot annehmen, das ihnen gemacht wurde. Das konnte dann auch schon einmal eine Gruppe unter Dreijähriger sein. Sicherlich nicht die richtige Gruppe für einen Menschen, der sich für ältere Kinder entschieden hat und dafür auch ausgebildet wurde.

Hatte ein Träger mehrere Einrichtungen, die er betreute, so konnte er das Geld, das für diese Maßnahmen einging, auch schwerpunktmäßig verteilen. Darüber musste er nicht einmal den anderen Schulen Auskunft geben. Überhaupt war es schwierig, vom Träger Auskunft darüber zu bekommen, wie das Geld, das für die Schule zur Verfügung stand, ausgegeben wurde. Von Transparenz konnte man in diesem Zusammenhang nicht sprechen.

Ein Recht auf Einsicht in die Unterlagen beim Träger hatte die Schulleitung nicht. Es gab aber eine Kontrollstelle im Schulamt, die auch Kooperationen anregen sollte und hilfreich zur Seite stand. 

Bewerbung um den offenen Ganztag

Als ich dann Schulleiter war und die Entscheidung getroffen werden musste, ob offener Ganztag oder nicht, waren die Gründe für eine offene Ganztagsschule überwiegend. So wurde der Antrag gestellt, die entsprechenden Formulare ausgefüllt und ein Konzept erarbeitet. Die Beschlüsse wurden herbeigeführt als signalisiert wurde, dass das wohl durchgehen würde, begann die Kontaktaufnahme zu den Trägern. Die rannten uns fast die Bude ein. Das Interesse war groß und so entschied man sich für einen Träger mit Erfahrung, weil er schon mehrere Schulen betreute. 

Leider war der Handlungsspielraum sehr gering. Nicht die Schule war federführend, sondern der Träger, denn er verwaltete die finanziellen Mittel und konnte so mit dem Hinweis: Kein Geld vorhanden, sein Veto einlegen bzw. die geplante Maßnahme ablehnen. 

Erwartungen

Es gibt verschiedene Erwartungsebenen, den offenen Ganztag betreffend. So erwarten Eltern, dass ihre Kinder mit gemachten und kontrollieren Hausaufgaben nach Hause kommen und alles, was mit Schule zu tun hat, im Wesentlichen zu Hause außen vor bleibt. 

Außerdem soll die Versorgung der Kinder anregend und pädagogisch durchdacht sein. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn überlegt man die Zeit, die ein Grundschüler in der Schule verweilt, so sind das in Summe doch mal schnell acht Stunden. Acht Stunden, ohne Rückzugsmöglichkeit und Auszeit. Die gesamte Zeit steht der Schüler unter Kontrolle und Beobachtung. 

Erfüllung

Kommt der Schüler am späten Nachmittag nach Hause, so sind die Hausaufgaben in der Regel gemacht. Kontrolliert allerdings nicht unbedingt und verstanden auch nicht immer. Das eigentliche Ansinnen der Eltern ist damit nicht erfüllt. 

Organisatorische folgt nach dem Unterricht das Mittagessen. Vielleicht noch die Möglichkeit des kurzen körperlichen Austobens auf dem Schulhof. Wenn es nicht anders möglich ist, allerdings sofort die Hausaufgabenerstellung. Das hängt damit zusammen, dass der offene Ganztag aufgrund der Räumlichkeiten und des Personals nur eine bestimmte Anzahl von Kindern gleichzeitig beköstigen kann. Die anderen Kinder müssen in der Zeit anders beschäftigt werden. Da Lehrer manchmal die Hausaufgabenbetreuung übernehmen, finden diese in den Randstunden statt. 

Ein Lehrer in der Hausaufgabengruppe ist in der Regel nur Ansprechpartner. Er ist selbst nicht aktiv, geht nicht herum und hilft auf Anforderung oder kontrolliert. Kennt er bei den eigenen Schülern die Schwierigkeiten, so kennt er sie nicht von Schülern in der Hausaufgabengruppe. Auch das Kontrollieren auf Fehlerfreiheit ist ihm nicht möglich, so gerne er es auch machen würde. 

Wird die Hausaufgabengruppe von einem Lehrer geleitet, so hat das den Vorteil, dass er die Methodik und Didaktik beherrscht und den Schülern fachgereicht weiterhelfen kann. Das können andere Betreuungspersonen häufig nicht. Falsch Gelerntes muss dann im Unterricht korrigiert werden.

Der Schüler

Wer den offenen Ganztag besucht, ist einen großen Teil des Tages in der Schule. Eine aktive Freizeitgestaltung nach eigenen Wünschen und Neigungen ist in der Regel nicht möglich. Das enge Korsett der Ablaufplanung lässt wenig Spielraum zu. Den ganzen Tag Aktion um den Schülern herum! Was fehlt, ist die Rückzugsmöglichkeit aus diesem Ablauf und sei es nur für eine halbe Stunde. Das, was man zu Hause machen kann, indem man in sein Zimmer geht, ist hier nicht möglich. Die Aktion um ihn herum lässt ihn ebenfalls nicht zur Ruhe kommen. 

Wenn der Schüler um 16 Uhr den offenen Ganztag verlässt, bleibt vom Rest des Tages nicht mehr viel Zeit zur Gestaltung übrig. Wenn er Glück hat, kann er zu Hause rumhängen. Rumhängen im wahrsten Sinne des Wortes, denn das braucht er, um die ganzen Eindrücke, die den gesamten Tag ohne Unterlass auf ihn eingestürmt sind, zu verarbeiten oder zumindest, um Ruhe zu finden. 

Häufig ist dann aber noch einen Sportverein oder Ähnliches angesagt. Manchmal aber auch das Arbeiten für die Schule. Hausaufgaben machen, wenn nicht geschafft oder Eltern nicht zufrieden, Vokabeln usw..

Vergleiche ich das mit einem Arbeitstag eines Erwachsenen, so sehe ich hier durchaus eine Überforderung der Grundschulkinder. 

Fazit

Leider haben sich meine Hoffnungen nicht erfüllt. Der offene Ganztag ist meist nur ein Hort-Abklatsch, der mit nicht ausgebildetem Personal mehr Beaufsichtigung als Betreuung ist.

Schulen können sich nicht von den Hausaufgaben lösen und lassen hier Chancen ungenutzt. Lernzeit wäre eine gute Sache, den Schülern Raum für eigenverantwortliches Lernen zu geben und sie dabei zu begleiten. Dies kombiniert mit einer Übungszeit, denn Übung muss sein, um Dinge einzuüben und zu festigen. Ich denke hier u.a. an das Einmaleins und die Rechtschreibung. Alles Chancen, die vertan werden durch die Umstellung vom Hort zur Billigbeaufsichtigung. Schade!