Schon von der Autobahn aus konnten wir einen Blick auf Lübeck erhaschen. Die sieben Kirchtürme waren von Weitem zu sehen. Dann war Lübeck aber auch schon wieder aus dem Sichtfeld verschwunden.
Ich erinnere mich daran, dass ich meine Eltern mal nach dem Bauwerk auf dem 50-Mark-Schein gefragt habe. Darauf war, wie ich dann erfuhr, das Holstentor abgebildet, das in Lübeck steht. Gespannt wie ein Flitzebogen fuhr ich weiter. Dann sah ich es in voller Pracht aus dem Auto heraus. Ganz kurz, denn der Verkehr ging vor. Außerdem mussten wir erst einmal unser Ferienhäuschen in Besitz nehmen, in dem unsere Vermieterin wartete.
Das Ferienhaus, direkt an der Obertrave gelegen, befand sich im Altstadtbereich von Lübeck. Es war ein sogenanntes Ganghaus. Die Ganghäuser waren im Mittelalter Unterkünfte für Beschäftigte, die von den wohlhabenden Bürgern für diese erbaut worden waren. Sie waren klein. Der Zugang erfolgte über einen “Gang” im Straßenhaus. Heute würde man allenfalls Hinterhof sagen.
Überliefert wurde, dass das einzige Kriterium zur Errichtung eines Ganghauses ein (Zu)gang vorhanden war, durch den ein Sarg transportiert werden konnte.
Bei der Rundfahrt mit dem Schiff erzählte der Kapitän, als wir an “unserem” Ganghaus vorbeikamen, dass hier ein Bunker stehen würde. Die Außenfassade wurde dem Aussehen einer möglichen Stadtmauer angepasst.

So ein Häuschen hatten wir gemietet. Es hatte 60 qm Wohnfläche und ging über drei Etagen. Es versteht sich, dass es an den Standard der heutigen Zeit angepasst worden ist und jeglichen Komfort bietet, den man heute erwarten kann. Es hat allerdings eine besondere Note, wenn man durch den Gang in einen kleinen Hof tritt, auf dem sich ein paar dieser Ganghäuser gegenüberliegen. Das mittelalterliche Flair ist hier spürbar.
Nach der Inbesitznahme ging es ein paar Schritte an der Obertrave entlang und kurze Zeit später stand ich vor dem von mir schon immer bewunderten Holstentor.

Außergewöhnlich, denn es übertraf meine Erwartungen sehr. Obwohl inzwischen „windschief“, zeigte es die Pracht und den Reichtum der Zeit, in der es erbaut worden war. Der Untergrund ist für die Schieflage verantwortlich.