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Und jährlich grüßt der Grundschüler-Test …

Posted in Bildung, Medien, Offener Ganztag, Politik, Schule, and Standpunkt

Ein Ritual, zum Kult geworden, ist der jährliche PISA-Test für Grundschüler.

Die Ergebnisse, die dann wissenschaftlich ausgewertet bekannt gegeben werden, lösen reflexartig jedes Jahr die gleichen Reaktionen aus: Bestürzung, Unverständnis, Unterstützungszusagen usw..

Politiker sind bestürzt und suchen schnell nach möglichen Schuldigen. Der hohe Anteil an Migranten wird schnell genannt, denn diese haben nicht ausreichende Deutschkenntnisse. Man kann natürlich bestimmt Schüler bei den PISA-Tests ausschließen, was wohl auch Politikern bekannt sein dürfte. Bei der Nennung des Schuldigen am schlechten Abschneiden der Grundschüler kommt ein Hinweis auf die Kenntnis dieses Umstandes nicht so gut, denn dann gibt es keinen Schuldigen mehr.

Diese Bestürzung, verbunden mit dem Versprechen, etwas zu ändern, wiederholt sich jedes Jahr. Trotzdem werden die Ergebnisse nicht oder partiell kaum besser.

Also kann hier irgendetwas nicht stimmen. Wie häufig bei solch komplexen Themen, gibt es auch nicht eine Sache, die für dieses schlechte Abschneiden sorgt, sondern viele, die sich gegenseitig potenzieren.

“Hilfe, der Kopierer ist kaputt! Ich kann nicht unterrichten!”, ist natürlich total überzogen, aber etwas Wahres ist da schon zu entdecken.

Alleine die ganzen Werkstätten, die in Schule kopiert und eingesetzt werden, lassen die Abhängigkeit des Lehrers vom Kopierer vermuten. Multiple Choise Abfragen, Lückentext und ähnliche Abfragen werden als Lernzielkontrollen gleich mitgeliefert. Das ist allerdings nicht der alleinige Grund für den Einsatz dieser Werkstätten. Eine Pseudoindividualisierung wird durch diese Werkstätten vermittelt. Immerhin kann die Reihenfolge der Bearbeitung der Arbeitsblätter individuell gewählt werden.

Ich habe nichts gegen diese Werkstätten, sondern finde sie als Übergang zu offenen Lernumgebungen gut und hilfreich. Immerhin muss auch der Umgang mit einer offenen Lernumgebung und des individuellen Lernens gelernt werden. Irgendwann haben aber diese Werkstätten auch ihren Zweck erfüllt.

Individuelle Förderung, wie sie zum Beispiel in den Richtlinien NRW vorgeschrieben sind, werden nicht umgesetzt. Beim Teamteaching gibt es häufig einen Heizungslehrer, der in der Regel an der Heizung steht, manchmal mit dem agierenden Lehrer tauscht, aber auch zum Kopierer geht, um vergessene Arbeitsblätter kurzfristig zur Verfügung stellen zu können. Individuelle Förderung ist auch im Teamteaching möglich und sinnvoll. Dies setzt allerdings voraus, dass die Kollegen das auch wollen und können.

Was allerdings bei der individuellen Förderung grundsätzlich fehlt, ist die positive Verstärkung der Fähigkeiten der Schüler. Hier setzt wieder der Selektionsgedanke ein, der über Noten oder notenähnlichen Bewertungsverfahren wie ein Ankreuzzeugnis mit fünf Stufen den Durst der Eltern nach einer Bewertung des eigenen Kindes liefert, die an die eigene Schulzeit erinnert.
Noten und die Einstufung durch notenähnliche Ankreuzzeugnisse zeigen den eingeschränkten Bereich, in dem in der Schule befindliche Menschen denken. Aber auch Eltern, Omas und Opas und Politiker haben dieses Denken durch die eigene Schulzeit verinnerlicht und schaffen es nur selten, sich davon zu lösen und Schule neu und anders zu denken. Der Politik fehlen hier Persönlichkeiten, die eine andere Leistungsbewertung einführen.

Eine unbeschwerte Kindheit mit Freiraum für die eigenen Fantasien, für Spiele und einfach Langeweile aushalten, gibt es nicht mehr.

Einerseits wollen Eltern, dass für ihre Kinder schon in jungen Jahren auf die Zukunft vorbereitet werden und sie so vermeintlich besser für ihren Lebensweg gerüstet sind, andererseits wird genau diesen Kindern nichts zugetraut. Sie werden in Watte gepackt und sie haben keine Möglichkeit mehr, eigene Erfahrungen zu sammeln und die eigenen Grenzen zu finden.
Dieses in-Watte-packen sorgt dafür, dass häufig jegliche Forderung von den Kindern abgehalten wird und eher eine juristische Auseinandersetzung mit dem Lehrer / der Schule geführt wird, als das eigene Kind an Leistungsbereitschaft heranzuführen.
Frustrationstoleranz sucht man bei diesen Kindern vergebens. Trotz diesen fehlenden Vertrauens in die Fähigkeiten des eigenen Kindes werden diese häufig von Alleinerziehenden als Partner auf Augenhöhe behandelt, obwohl Kinder das nicht leisten können.
Verkehrte Welt, in der manches nicht so läuft, wie es laufen könnte. Forderungen, auch an junge Kinder, gerade wenn sie aus bildungsfernen Schichten kommen, tragen zur Normalisierung bei und sind durchaus positiv zu sehen, wenn sie nicht überfordern.

Sind das schwächste Glied in der Kette und bedürfen gleichzeitig die meiste Aufmerksamkeit und individuelle Förderung.
Aufmerksamkeit heißt allerdings nicht ständige Überwachung, sondern durchaus auch, dass der größtmögliche Freiraum eingeräumt wird. Förderung ja, aber nicht durch Überforderung und nicht gießkannenmäßig.

Förderung, die gleichzeitig auch immer etwas fordert. Und wenn es nur darum geht, dass die geforderten und benötigten Materialien zur Verfügung stehen. Dafür können die Kinder im Rahmen ihres Alters und ihrer Möglichkeiten Verantwortung übernehmen.

Bildung ist die Grundlage für ein mögliches selbstbestimmtes Leben. Sie ist nicht Garant dafür, sondern eine wichtige Plattform, die Vieles erst ermöglicht.
Bildung ist keine Bringschuld! Man kann niemanden Bildung vermitteln, der diese Bildung nicht will.

Bildung ist aber immer auch eine Beziehungssache. Fühlen sich Kinder angenommen und erfahren sie Wertschätzung und Hilfe, so gelingt das Lernen besser und einfacher.

Bildung ist keine Selektionsangelegenheit, wie sie heute über Noten immer noch gang und gäbe ist. Die Noten sagen über die Leistungsfähigkeit der Schüler wenig aus. Auch nichts darüber, ob der künftige Lebensweg gemeistert wird. Die Note sorgt nur für frühe Selektion und gibt einen Schulweg zu einem frühen Zeitpunkt vor, der zu dieser Zeit noch nicht absehbar ist.
Bildung ist zu sehr vom Elternhaus abhängig. Je gebildeter das Elternhaus, umso besser zum Beispiel die Noten bei Klassenarbeiten. Nicht immer, weil die Note der tatsächlichen Leistung entspricht, sondern weil der Lehrer beim Korrigieren Sympathie empfunden und Fehler übersehen hat. Ein menschlicher Zug, man muss sich nur darüber klar sein, dass Sympathie in den Umgang mit einem Schüler auch von Lehrer Seite einfließt. Antipathie allerdings ebenso.

Es muss sich noch viel ändern, um Schule so zu gestalten, dass sie unsere Kinder für die Zukunft rüstet.

Es gab früher einmal die Horte, die von Kindern besucht wurde, deren Eltern am Nachmittag nicht die Aufsicht übernehmen konnten. Die Kinder erhielten dort ein Mittagessen, die Hausaufgaben wurden dort gemacht und es gab ein Freizeitangebot. Umgesetzt wurde dieses Programm von ausgebildeten Erzieherinnen.

Dann wurden die Horte aufgelöst und der offenen Ganztag eingeführt. Die administrativen Aufgaben übernahm ein Trägerverein. Das Personal, das nun in dieser Nachmittagsbetreuung arbeitete, war/ist häufig unausgebildet und erhielt/erhält häufig nicht mehr als den Mindestlohn pro Stunde.
Die rhythmisierende Struktur wie sie aus den Horten bekannt war, wurde in der Regel beibehalten. Das große Thema der offenen Ganztage ist meist an allen Schulen die Hausaufgabe. Eltern haben weiterhin den Anspruch, dass diese am Ende des Schultages erledigt waren. Aber durch diese Organisation und die große Anzahl der teilnehmenden Schüler wurde alles Individuelle der Logistik untergeordnet.
Freiräume, Erholungsphasen oder auch Phasen der Langweile blieben für die Schüler kaum. Wenn möglich gab es noch wöchentlich ein oder zwei Freizeitangebote für jede Gruppe.

Da Schule und offener Ganztag aufgrund der äußeren Vorgaben schlecht verzahnt waren, liefen sie nebeneinander her. Schulleiter hatten andere Ansprüche als die Verwalter des offenen Ganztages, die auch das Finanzielle regelten und so im Grund entschieden, was noch möglich war und was nicht.
Eine Verzahnung über den ganzen Tag gab es nicht. Das wäre eine Chance gewesen, die gesamten Tag zu rhythmisieren und Lernphasen mit Erholungsphasen abwechseln zu lassen. Diese Umsetzung wäre durch Klassenbildung möglich gewesen, in dem man offen Ganztagsklassen eingerichtet hätte. Finanzierbar war die Anwesenheit der offenen Ganztagsmitarbeiter über den Großteil des Tages wohl nicht.

Meines Erachtens wurde hier eine Chance vertan.
Blauäugig, wie ich manchmal bin, hatte ich mich auf die Einrichtung des offenen Ganztages gefreut und gedacht: Wunderbar, dann kommen die Horterzieher in die Schule. Leider war das nicht so.

Die Zusagen der Politik werden in der Regel nicht eingehalten. Anders ist es nicht erklärbar, dass viele Studenten und nicht ausgebildete Menschen an der Schule unterrichten. Sicherlich kein Garant für guten Unterricht und Erfolgssteigerung.
Die Bildungsplanung erfolgt nur für den Zeitraum einer Legislaturperiode. Bei einem Regierungswechsel prägen die Schwerpunkte der neuen Regierung die Richtlinien und Lehrpläne, die flugs überarbeitet werden. Schule bekommt nicht die Zeit eigene Konzepte zu entwickeln, die an die Lebenswirklichkeit ihrer Schüler angepasst sind. Pädagogische Maßnahmen und Schwerpunkte werden durch den Sachbearbeiter gestrichen, weil der kommunale Träger entschieden hat, dass es dafür kein Geld gibt. Gibt es dafür Geld, so ist immer noch nicht sicher, dass man es erhält. Ist der Topf ausgeschöpft, schaut die beantragende Schule in die Röhre.

In welchem Zustand die Schulen sind, kann man sich in einer ortsnahen Schule ansehen.

Ein letzter Punkt, den ich hier nennen möchte, ist die Lehrerausstattung. Die Zahl der Lehrer einer Schule wird über ein kompliziertes System errechnet und reicht in der Regel nicht aus. Von einer Reserve kann man nicht sprechen und wenn es eine gibt, ist diese auf Stadtebene häufig auch nicht ausreichend.
An die Schule gehören gute, engagierte Lehrer. Dafür ist das Land zuständig. Ob hier immer eine Beamtung das Maß der Dinge ist, wage ich zu bezweifeln.

Schulentwicklung ist keine Sache, die man mal eben macht. Sie muss sich entwickeln. Schulentwicklung dauert und muss wie beim Lernen auch Fehler zulassen. Die Voraussetzungen für Schulentwicklung muss die Politik schaffen, nachdem die Rahmenbedingungen für einen langen Zeitraum gesetzt worden sind. Der einzelnen Schule muss Verantwortung gegeben werden, aufgrund der Vorgaben die Schule an die Bedürfnisse der dort lernenden Menschen anzupassen. Dazu ist Flexibilität erforderlich. Bei der Personalauswahl durch die Schulleitung – die Schulen bekommen Lehrer zugewiesen und haben in der Regel keinen Einfluss auf die Lehrerauswahl.

In die Schule gehören nur die besten Lehrer und nicht so sehr die, die die Sicherheit einer Beamtung anstreben. Das sollte ein Grund sein, die Beamtung von Lehrern zu überdenken.

Politik muss die Voraussetzungen schaffen und erforderliche Mittel zur Verfügung stellen. Bei Bankenrettung funktioniert diese Bereitstellung von großen Geldmengen.
Die Gebäude müssen den Anforderungen angepasst werden. Auch hier ist die Politik gefordert. Individuelles Lernen und mediale Ausstattung müssen hier als Grundlage gesehen werden. Jetzt müssen die Weichen für die Zukunft gestellt werden, wenn es nicht schon zu spät dafür ist.

Manchmal aber frage ich mich, ob man mit Denkweisen von gestern und Lehrern, die aus diesem System kommen und in diesem System ausgebildet wurden und werden, die Schule so entwickeln und gelebt werden kann, dass sie Grundlage für die Zukunft unserer Kinder ist.

Was auf keinen Fall hilft sind eine ständige Reduzierung der Leistungsanforderung und eine verdeckte Kürzung der Mittel.

Ebenso wie sich die Welt ändert, muss sich Schule auch ändern. Das heißt nicht, dass Schule wie ein Hase der Entwicklung hinterherläuft. Das geht auch nicht, da Konzepte erst entwickelt werden müssen. Bei der Vielzahl von Einflüssen auf Schule, ist das auch nicht so einfach möglich. Schulentwicklung und Anpassung an Neues braucht Jahre. Jahre, in denen sich auch herausstellen kann, dass diese Entwicklung vielleicht nicht richtig war. Deshalb ist Hektik in der Schulentwicklung schlicht kontraproduktiv.

Wir erleben seit der Verbreitung des Computers einen Umbruch in der Gesellschaft.
Diese Entwicklung wurde durch die Einführung des »visuell bedienbaren Internets« mittels Browser noch einmal in der Geschwindigkeit erhöht. Lernen verändert sich dadurch enorm, da Kinder schon in ganz jungen Jahren mit diesen Medien in Berührung kommen und ihnen ausgesetzt sind.
Das ist nicht immer positiv und deshalb muss Schule schon in der Grundschule darauf reagieren.

Reagieren heißt aber nicht, wie ich es oft erlebt habe: Ja, du kann an den Computer! Was willst du denn dort machen?

Medienkompetenz kann schon in der Grundschule angebahnt werden – bis hin zur Programmierung erarbeiteter von Präsentationen erarbeiteter Themen. Das allerdings frühestens ab dem 3. Schuljahr.

Schüler in der Grundschule müssen die Möglichkeit haben, Dinge auch ohne Computer zu erlernen. Dazu zählt zum Beispiel die Schrift. Das Einmaleins sollten sie ebenso beherrschen, wie die Rechtschreibung. Die Lesekompetenz sollte mindestens gut sein, denn das Internet ist überwiegend immer noch ein textbasierendes Medium.

Es ist nicht einfach, aber Schulentwicklung kann gelingen, wenn man sie wirklich will. Das gelingt aber nur, wenn eine vernünftige personelle Besetzung zur Verfügung steht, die gut ausgebildet ist und den Beruf als Berufung wahrnimmt.

Die Sachausstattung muss entsprechend den Bedürfnissen der Schulen zur Verfügung gestellt werden, auch wenn diese bei Nachbarschulen unterschiedlich sein kann. Eine Schule in einem sozialen Brennpunkt entwickelt sich anders als eine Schule in einem Wohlstandsgebiet.

Die Räumlichkeiten der Schulen müssen an die veränderte Art des Lernens angepasst werden. Klassenräume, die auch das Bilden von Kleingruppen zulassen, Multifunktionsräume, die schnell umgebaut werden können und auch Lese- und Computerecken müssen zur Verfügung stehen.

Es wird, gerade auch wegen der jahrelangen Versäumnisse, ein finanzieller Kraftakt werden, aber auch ein Entwicklungskraftakt. Verdient hat es Schule und damit unsere Kinder. 

Schon immer habe ich mich mit Schule, Unterricht, individueller Förderung auseinandergesetzt. Hier einige Links zu Artikeln auf dieser Webseite, die ich unter Umständen schon vor Jahren geschrieben habe, die aber immer noch aktuell sind. 

Medienkompetenz für Grundschüler

Eine Alternative zur Hausaufgabe

Individualisierte Hausaufgabe in der Grundschule

Setzen! Sechs!

Individuelles Lernen

Voraussetzung für individuelles Lernen

Programmieren in der Grundschule kein Problem

Geld ist nicht alles

Chancen des offenen Ganztags nutzen