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Sitz nicht so dumm da rum! Tu endlich was!

Posted in Fahrrad, Fahrradtour, Nachdenkliches, and Standpunkt

   Oder: Meine Liebeserklärung ans Fahrrad fahren.   

   Ich weiß nicht, habe nie gezählt, wie oft ich diesen recht rüden Spruch schon in früher Kindheit zu hören bekommen habe. Er klingt mir noch im Ohr, als wäre er gerade wieder ausgesprochen worden.

   Scheinbar war es schon immer so, dass Nichtstun wenig gesellschaftliche Akzeptanz gefunden hat.

   Früher als ich jung war, war eine solche Reizüberflutung, wie man ihr heute ausgesetzt ist, unbekannt. Dinge, die man tat, machte man mit mehr Ruhe und zeitweise auch mit Muße. Diese Hetze durch Arbeitsverdichtung und das gesellschaftlich favorisierte Drei-Dinge-gleichzeitig-tun, gab es in der heutigen Form nicht. Der Fernseher war gerade erst erfunden. Radio hörte man meist nur am Abend, denn eine portable Lösung gab es nicht. An Handy und Internet war nicht zu denken. Nicht einmal ans Telefon, denn nicht vielem Familien besaßen ein eigenes in ihrer Wohnung. Man nutzte Telefonzellen, wenn man telefonieren musste. Die Zeit war auf die eine oder andere Weise gemütlicher als heute, wenn auch nicht ohne Forderungen. Leistung musste man auch zu dieser Zeit erbringen.

   Trotzdem, es gab für mich kaum etwas Schöneres, als einfach nur dazusitzen und den eigenen Gedanken freien Lauf zu lassen. Mit ihnen auf eine Reise zu gehen, Geschichten zu erfinden oder sie einfach nur, ohne ihnen Aufmerksamkeit zu schenken, laufen zu lassen. Heute weiß man durch die Hirnforschung, dass diese Phasen zu den wichtigsten im Leben eines Menschen gehören, will er kreativ und leistungsfähig sein.

   Nichtstun, damit das Gehirn die Möglichkeit bekommt, Dinge zu ordnen, zu verbinden, zu löschen und kreativ zu sein. Ganz ohne äußeren Reizen zu folgen, ohne Handy, ohne ständig online zu sein und bereit zu stehen. Viele Menschen halten das heute nicht mehr aus. Kommt keine SMS, kein Anruf, werden sie nervös und schauen aufs Handy. Sie spüren eine körperliche Anspannung dadurch, von der sie nicht wissen, wie sie sie entspannen und sich können.

   Ich weiß noch genau, wie mein Arzt mir sagte: Du musst was für dich tun! Mach Sport!

   Ha, ich und Sport, das waren, so meine damalige Meinung, Dinge, die sich grundsätzlich ausschlossen. Zwar war ich früher einmal ausgesprochen aktiv, ein hervorragender Schwimmer und auch zu Fuß immer auf Tour, doch heute …?

   Gesundheitliche Probleme forderten ihren Tribut und so dachte ich über den Rat meine Ärzte nach. Gewicht runter geht nur mit Sport und entsprechender Ernährung. Schwimmen war nichts mehr für mich – ich mochte das einfach nicht mehr. Also dem Speck erst einmal mit dem Besuch einer Muckibude und entsprechenden Muskelaufbau an den Kragen gegangen. War überhaupt nicht so einfach, aber eine Regelmäßigkeit, die in den Tagesablauf integriert war, half mir, meinen inneren Schweinehund zu überwinden.

   Muskelaufbau ist gut und schön, aber nicht alles. Es fehlt eine Ausdauersportart. Ohne dieses ist Gewichtsverlust und Konditionssteigerung nicht möglich. Laufen schied von vornherein aus, da aufgrund des Gewichtes nur eine Gelenkschädigung dabei entstehen würde. Bei der Suche nach der richtigen Ausdauersportart bin ich aufs Radfahren gestoßen.

   Erst nur wenig, dann langsame Steigerung. Das Fahrrad als Gefährt zur Arbeit verwendet, dann im Kölner Stadtgebiet als alleiniges Verkehrsmittel genutzt. Egal, ob es von Süd nach Nord, Ost nach West oder umgekehrt ging. So kamen man schnell 40 bis 100 km pro Tag zusammen. Auch längere Touren über mehrere Tage gehörten ab so fort zu meinem Alltag, wenn sich das anbot.

   Dann habe ich einen Effekt entdeckt, der Lebensqualität vermittelte, Stressabbau bedeutet, bis hin zur völligen „Leere“ im Kopf. An nichts denken, fahren und die Umgebung in sich aufnehmen. Dieser Effekt stellt sich nie sofort ein. Eine ganze Weile muss ich dafür strampeln und auf Wegen fahren, die nicht innerstädtisch und ohne hohes Verkehrsaufkommen sind. Hier in Köln gibt es eine Menge dieser Wege. Durch den Grüngürtel linksrheinisch, den Rhein hoch und runter, ins Siegtal und viele Strecken mehr.

   Bevorzugt fahre ich linksrheinisch nach Bonn und rechtsrheinisch wieder nach Hause. Alternativ vom Kölner Süden, in den Kölner Norden. An der Fähre Hitdorf vorbei über die Deichkrone bis kurz vor Worringen und wieder zurück. Besonders liebe ich es, eine kleine Seefahrt dazwischen zu haben. Eine Rheinquerung ist an vielen Stellen möglich.

   Es dauert eine Weile, bis ich mein, der Tagesform entsprechendes Tempo gefunden habe. Habe ich es, läuft es rund. Ohne große Anstrengung. In einem Tritt, der zu schnell ist für Gedanken irgendwelcher Art, die Landschaft aber am Rande noch aufnimmt und vorbei gleiten lässt. Meditativ. Befreiend und leicht. Stressabbau pur und steuerbar über die Länge der gefahrenen Strecke.

   Nach einer solchen Fahrt fühle ich mich ruhig und gelassen, voller Kraft und Tatendrang. Nie ermüdet und schlapp. Dinge, die ich dann in Angriff nehme, gelingen mit hoher Konzentration und einer gewissen Leichtigkeit. Die Schönheiten unterwegs vor dem geistigen Auge. Häufig wieder abrufbar, bisweilen auch auf Fotos.

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   Seither hat niemand mehr zu mir gesagt: »Sitz nicht so dumm da rum! Tu endlich was!« Denn mein Nichtstun mache ich auf dem Fahrrad.

   Als Abfallprodukt: Gewichtsverlust, eine Ausdauerfitness, die sich kraftvoll anfühlt und mich auf meine eigene Leistungsfähigkeit vertrauen lässt und Medikamente und Ärzte überflüssig macht.

   Nach meinem Unfall, der mich so extrem aus den Pantinen gehauen hat und ich schon auf dem Weg in die andere Welt war, war mein vorrangiges Genesungsziel, so bald wie möglich wieder aufs Rad zu kommen und zu fahren. Inzwischen mache ich es wieder regelmäßig und bin glücklich.


   Das Glück des Radfahrens spiegelt sich in vielen Zitaten von Menschen, die man auf den ersten Blick nicht mit dem Rad in Verbindung bringen würde.

»Mir ist es eingefallen, während ich Fahrrad fuhr.«
Albert Einstein über die Relativitätstheorie, deutsch-schweizerischer Physiker und Nobelpreisträger, 1879 – 1955

»Wenn du niedergeschlagen bist, wenn dir die Tage immer dunkler vorkommen, wenn dir die Arbeit nur noch monoton erscheint, wenn es dir fast sinnlos erscheint, überhaupt noch zu hoffen, dann setz dich einfach aufs Fahrrad, um die Straße herunterzujagen, ohne Gedanken an irgendetwas außer deinem wilden Ritt.«
Arthur Conan Doyle, britischer Schriftsteller, 1859 – 1930

»Der Strohhalm, mit dem ich mich an die Lebensfreude klammere, ist augenblicklich das Bicycle.«
Arthur Schnitzler, österreichischer Schriftsteller, 1862 – 1931

»Das Leben ist wie Radfahren. Du fällst nicht, solange du in die Pedale trittst.«
Claude Pepper, US-amerikanischer Jurist und Politiker, 1900 – 1989

»Nichts ist vergleichbar mit der einfachen Freude, Rad zu fahren.«
John F. Kennedy, 35. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, 1917 – 1963

»Das Fahrrad ist das zivilisierteste Fortbewegungsmittel, das wir kennen. Andere Transportarten gebären sich täglich albtraumhafter. Nur das Fahrrad bewahrt sein reines Herz.«
Iris Murdoch, anglo-irische Schriftstellerin und Philosophin, 1919 – 1999

»Zeigen Sie mir ein Problem dieser Welt und ich gebe Ihnen das Fahrrad als Teil der Lösung.«
Mike Sinyard, US-amerikanischer Fahrradbauer, * 1950

Was hindert Sie, es auszuprobieren? Tun sie es! Werden Sie glücklich!