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Oh, du friedvolle Vorweihnachtszeit

Posted in Begegnungen, Fahrrad, Köln, and Nachdenkliches

Die Dunkelheit und das flackernde Licht der Laternen, das die regenwandartigen Hagelböen im Wind sichtbar machte, passten zum Szenario. Es schmerzte, wenn die kleinen Hagelkörner vom Wind in mein Gesicht gepeitscht wurden.
Gerade, wenn der Schmerz nachzulassen schien, traf die Böe mein Gesicht und die Hagelkörner stachen wie kleine Nadeln. Dazu die Nässe! Die Böen ließen mich die Augen zu schmalen Schlitzen zusammenkneifen. Gerade noch so weit geöffnet, dass ich das, was um mich herum passierte, wahrnehmen konnte.

Scheiß Wetter! Hätte das jetzt nicht noch eine halbe Stunde warten können? Dann wäre ich schon zu Hause gewesen und hätte mir die Hagelschauer aus behaglicher Wärme und aus dem Trockenen ansehen können. Nein, ich musste ja mit dem Fahrrad los, ich alter Sturkopf!

Die Ampel zeigte immer noch Rot und passte sich leicht schwankend den Sturmböen an. Ein Auto hielt hinter mir. Die gut sichtbare Ampel des Querverkehrs schaltete auf Gelb. Gleich musste es hier Grün werden, dachte ich. In zehn Minuten bist du dann zu Hause.

Plötzlich hörte ich hinter mir das Aufheulen eines Motors. Der Wagen rollte leicht an und wurde dann wieder abgebremst. Dann heulte der Motor wieder auf. Wieder rollte der Wagen leicht nach vorne und wurde abgebremst.

Ich drehte mich um und sah einen älteren Fahrer hinter dem Lenkrad. In Köln würde man sagen: „Zebingemännchen“. Wenig Haare auf dem Kopf, klein und schmächtig. Früher sagte man auch: Kein Arsch in der Hose, aber Tom Dooley pfeifen. So ein Zebingemännchen saß hinter dem Steuer, spielte mit dem Gaspedal, ließ den Wagen immer wieder vorrollen, um dann abzubremsen. Ich sah ihn an und schüttelte verständnislos den Kopf.

Aus dem Augenwinkel sah ich, dass die Ampel auf Gelb sprang. Ich spannte die Muskeln des rechten Beines an, um dem auf dem Pedal stehenden Fuß die nötige Kraft zum Anfahren zu geben, als sich zu dem aufheulenden Motor hinter mir auch noch ein Stakkato von Huptönen in den Ohren klang.

Sofort war das Wetter vergessen. Die Hagelkörner, die mir ins Gesicht prasselten, spürte ich nicht mehr. Gemächlich nahm ich die Kraft vom Pedal, positionierte mich in aller Ruhe und warf noch einmal ein breites Lächeln und einen Blick über die Schulter.

Hoffentlich hat das Auto als Zubehör einen eingebauten Defibrillator, dachte ich, denn sein Gesicht war wutverzerrt. Das Stakkato der Hupe wurde schneller, auch der Motor heulte immer höher und der Wagen machte einen kleinen Satz nach vorne.

Frohe Weihnachten!“ rief ich ihm zu und fuhr an.
Die Reifen drehten durch, als er nun mit hoher Drehzahl anfuhr. Kurz darauf leuchteten die Bremslichter auf, denn mit seinem Sprint schien er überfordert zu sein und statt einen leichten Schlenker zu fahren, geradewegs ins Grüne zu donnern. Er schaffte es gerade noch.

Was hatte er nun davon? Sicher ist er so einem Herzinfarkt einen Schritt näher gekommen. Ob es stimmt, dass impotente Männer …
 
Zebingemännchen

Tom Dooley