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Jetzt wollen wir erst einmal alle Kinder auf den gleichen Stand bringen!

Posted in Übers Lernen, Bildung, Förderung, Featured, Lernen, Medien, Medienkompetenz, Nachdenkliches, Sachtext, Schule, and Standpunkt

Wer hat diese Aussage nicht schon von Lehrern gehört und sie auch bedauert, weil diese unterschiedlichen Leistungsstände doch so viel Mehrarbeit verursachen würden.
Nicht nur Mehrarbeit verursachen würden, sondern auch die Klasse daran hindern, möglichst schnell Lernfortschritte zu machen und im Stoff weiterzukommen.
Immerhin ist ein gutes Zeugnis Grundlage für die weitere Schullaufbahn!
Welche Eltern wollen auch heute noch, dass ihr Kind zur Hauptschule geht?
Realschule wird als Minimum angestrebt – Gymnasium ist das Nonplusultra. Das gibt zwar niemand zu, aber die Gespräche schon ab der dritten Klasse zeigen genau das.
Immerhin sind die Eltern auch zum Gymnasium gegangen und die Kinder sollen dann natürlich auch diese „Mindestgrundlage“ an Bildung bekommen.
Eltern, die nicht selbst zum Gymnasium gegangen sind, wünschen sich nichts sehnlicher, als das ihr eigenes Kind diesen Weg beschreitet.
Viele Eltern sind zum Verzicht bereit und investieren schon im Kindergarten und in der Grundschule viel Geld in die Bildung der eigenen Kinder.
Gleichzeitig steigen mit diesen Investitionen auch die verschiedenen Erwartungshaltungen, die zwar häufig nicht ausgesprochen werden, aber unterschwellig doch da sind – und damit auch für das Kind wahrnehmbar sind.
Das Kind versucht nun natürlich die Erwartungshaltungen der Eltern zu erfüllen. Ob es dadurch besser lernt oder eigentlich das sein sollte, was das Leben ausmacht, nämlich glücklicher, wage ich an dieser Stelle zu bezweifeln.
Die Erwartungshaltungen üben Druck aus, dem sich das Kind durch die Abhängigkeit gegenüber den Eltern nicht entziehen kann. Auf Dauer muss irgendein Ventil her, wo sich dieser aufgestaute Druck entladen kann.
Im günstigsten Fall ist das zum Beispiel der Sport. Andere Ventile möchte ich hier nicht nennen.

Wenn Sie als Eltern der Meinung sind, dass auch Sie diese Schule durchlaufen haben, es Ihnen nicht geschadet hat, und doch auch etwas aus Ihnen geworden ist, dann missachten Sie einfach Fakten – oder haben sie vergessen.
Unser Gehirn hat eine wunderbare Eigenschaft, nämlich das Vergessen.
So erscheint manchem die eigene Schulzeit in der Erinnerung verklärt und vergessen sind die Ängste, vielleicht auch Demütigungen, das Bibbern vor den Noten und so weiter, und so weiter.
Sie haben die Schule durchlaufen und viele Menschen glauben, dass sie sich hier auskennen. Immerhin haben sie mehr als ein Jahrzehnt in dieser Institution verbracht.
Viele heutige Lehrer übrigens auch und man merkt auch ihnen manchmal an, wie schwer es ihnen fällt, diese Mauern im Kopf zu überwinden und sich den heutigen Anforderungen zu stellen und Kinder individuell zu fördern.

Was hat sich denn schon groß geändert zu früher, als ich die Schule besucht habe, werden Sie sich nun vielleicht fragen.

Äußerlich wenig.
Viele Lehrer sind so, wie ihre Eltern sie kennengelernt haben; die Klassen sehen nicht viel anders aus und die Ferien sind die beliebteste Zeit einer jeden Schülerin und eines jeden Schülers.
Ja, wenn man das so sieht, dann schaut man nur flüchtig, nimmt wahr, was man selbst erlebt hat und das war es aber auch schon.

Als die ersten Computer, die vor nun mehr dreißig Jahren zu „erschwinglichen“ Preisen in den Handel kamen – der Preis hat sich im wesentlichen nicht geändert, nur die Leistungsfähigkeit und der Ausstattungsumfang hat sich beharrlich vergrößert -, stand man diesem skeptisch gegenüber und hat der Verbreitung auch keine große Chance gegeben. Computer ist eine Sache für Freaks, dachte man und hat so im Grunde schon fast den Anschluss verpasst. Denn wenn man sich heute umschaut, ist der Computer allgegenwärtig und aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken.
Kommunikation in Sekunden und weltweit gehört inzwischen zum Standard, auch wenn Deutschland aktuell bei der IT-Nutzung nur Mittelmaß attestiert wird.
Die Welt unserer Kinder wird längst davon beherrscht und die Entwicklung schreitet immer noch schnell voran, sodass viele Menschen schon nicht mehr mitkommen und das Feld lieber Jüngeren überlassen.
Der Gedanke oder besser die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens findet man bei diesen Menschen nicht mehr.

Auch bei vielen Jüngeren fehlen die entsprechenden Kompetenzen. Nicht nur bei der Bedienung dieser Medien, sondern auch bei deren Nutzung. Datenschutz ist bei den meisten Menschen noch nicht bis ins Bewusstsein vorgedrungen und so wundert es nicht, dass höchst private Dinge übers Netz gesandt oder in sozialen Netzwerken bekanntgegeben werden.

Die weltweite Vernetzung beinhaltet gleichzeitig auch Wettbewerb.
Wettbewerb, dem sich Deutschland stellen muss, denn wir haben keine Bodenschätze, deren Ausbeute uns Wohlstand sichert und uns unabhängig machen würde.
Deutschland, das Land der Dichter und Denker braucht Schüler, deren Kreativität und deren Stärken, um auch morgen noch wettbewerbsfähig zu sein. Da nützt kein Gleichmachen, denn das deckelt jegliche Kreativität! Nicht umsonst wenden sich inzwischen namhafte Firmen von Einser-Kandidaten ab. Diese können nur Pflichten erfüllen, zum richtigen Zeitpunkt ein bestimmtes Ergebnis abliefern, dass ihnen vorher zu lernen gegeben worden ist.
Kreativität, Erfindergeist und unkonventionelle Problemlösungen kann man von diesen Menschen in der Regel nicht erwarten. Sie haben immer nur auf die Klassenarbeit oder die Prüfung hingearbeitet und einfach keine Zeit, sich mit dem zu beschäftigen, was ihren Interessen und Neigungen entsprach.

Dabei hat jedes Kind, jeder Mensch Fähigkeit und Stärken!

Wird aber nur darauf geachtet, dass Defizite ausgeglichen werden und Energie und Geld eingesetzt, um das, was ein Kind nicht kann oder gerne macht auszugleichen, so lässt man dem Kind keine Zeit, auch nur ansatzweise seinen Neigungen und Interessen zu folgen, sondern man beteiligt sich aktiv an dieser Gleichmacherei!
Das Zeugnis, dessen Grundlage wiederum Noten sind, die abermals nichts anderes aussagen, als dass es geschafft worden ist, zu einem geforderten Zeitpunkt reproduktiv erworbenes Wissen abzurufen, sind zwar ganz nett, aber wenig hilfreich.

Die meisten Genies, die die Welt hervorgebracht hat, waren mittelmäßig in der Schule, wenn nicht gar Schulversager. Sie hatten eine andere Eigenschaft – sie konnten eigenständig und mit der nötigen Ausdauer etwas erforschen, Rückschläge hinnehmen, um dann trotzdem nicht aufzugeben. Nicht aufzugeben, bis sie ihr Ziel erreicht hatten.
Solche Menschen brauchen wir und deshalb sollten wir schnell dazu kommen, in jedem Kind etwas Besonderes zu sehen und nicht einen Menschen, der mit anderen gleichgemacht werden muss.
Lebenslanges Lernen ist das, was für jedes Individuum wichtig ist, um aktiv seine Zukunft gestalten zu können, um auch an der Gestaltung unserer Welt aktiv teilnehmen zu können!

Diese geänderten Anforderungen brauchen auch eine sich verändernde Schule. Nicht umsonst steht in den Richtlinie und Lehrplänen die individuelle Förderung ganz oben auf der Agenda. Kompetenzen sind wichtig, nicht das Bereitstellen reproduktiv erworbenen Wissens!

Will Ihnen also ein Lehrer erzählen, es müsse nun erst einmal alle Kinder auf den gleichen Stand bringen, sollten Sie dies im Sinne Ihres Kindes kritisch hinterfragen!