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Ist die Beamtung von Lehrern zeitgemäß oder verhindert sie Schulentwicklung

Posted in Bildung, Inklusion, Lehrer, Lernen, Nachdenkliches, Schule, Schulentwicklung, and Standpunkt

   Ich war einige Jahre im Schuldienst. Lange Zeit als Lehrer, der auch in der Fortbildung tätig war. Ein paar Jahre als Schulleiter kamen später hinzu, bevor ich ausgeschieden bin. Dabei bin ich vielen verschiedenen Menschen begegnet, die alle auf die eine oder andere Weise mit Schule zu tun hatten. Viele waren engagiert, andere rechthaberisch und nur auf den eigenen Vorteil bedacht, andere gleichgültig. Wie im richtigen Leben halt. Mit all diesen Menschen muss Schule kommunizieren und wenn möglich im Sinne der Schüler handeln. Eine besondere Verantwortung und Aufgabe kommt hierbei sicherlich den Lehrern zu.

   Ein guter Lehrer, der eine Beziehung zu seinen Schülern hat, ihnen wertschätzend, aber nicht unbedingt auf Augenhöhe begegnet, kann ihr Lernen beflügeln. Andere machen nur ihren Job.
Oft habe ich mich deshalb gefragt, wie man Lehrer unterstützen kann, die sich einbringen und im Sinne ihrer Schüler fördernd handeln, ermutigen und Fehler als Grundlage des Lernens zulassen und wünschenswert finden.
Wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, dass ich die Lösung nicht gefunden habe. Das heißt allerdings nicht, dass es nicht einige Dinge gäbe, die ich ändern würde.

   Schau ich mir so den Werdegang eines „normalen“ Lehrers, es gibt auch „unnormale“, aber dazu später mehr, an, so zeigt sich, dass sie im Grunde nie das System Schule verlassen haben. Kindergarten, Grundschule, weiterführende Schule, Studium, Referendariat. Alles vom Aufbau her sehr ähnlich. Im Studium kann man den Eindruck haben, als sei das Lernen etwas selbstbestimmter, aber es ist im Grunde auch nur Schule. Es überwiegt der Anteil der Hausaufgaben, die erledigt werden muss. Im Referendariat ist es wieder Schule in Reinkultur. Der Mentor, der Fachleiter, alles Lehrer, die sich wie Lehrer verhalten. Am Ende immer die Note, die das Schicksal entscheidet. Das Schicksal, das Anstellung und Beatmung heißt. Angepasste Lehrer, die dann in ein Kollegium kommen, das von Lehrern geprägt, schnell klar macht, hinter der geschlossenen Klassentüre kann man machen, was man will. Die „Wirklichkeit“, so wie sie Arbeitnehmer erleben, haben Lehrer nie kennengelernt. Sie kommen, haben Sie die Beatmung einmal geschafft, niemals in die Situation, dass ihnen trotzt Qualifikation von jetzt auf gleich gekündigt wird, und sie mutmaßlich aus Altersgründen nie mehr in den Genuss einer neuen Arbeit kommen und Hartz IV winkt. Sie können mit dem geringsten Aufwand arbeiten und bekommen trotzdem das Gehalt, das auch der bekommt, der mit größerem Aufwand und Einsatz seinen beruflichen Tätigkeit nachgeht. Warum sollte er sich anstrengen? Es hat keine Auswirkungen auf sein Einkommen ob er viel oder wenig tut.

   Hier ist das Hindernis zu einer leistungsgerechteren Bezahlung sicherlich der Beamtenstatus. Meines Erachtens ist er nicht nötig, sondern hinderlich. Vorteilhaft ist er nur für die Länder, die die Sozialabgaben nicht zahlen. So zahlen sie nur im Krankheitsfall, was wesentlich billiger ist, als wenn sie ständig Versicherungsbeiträge zahlen müssten.

   Für Beamte ist dieser Status nicht mit Gold aufzuwiegen. Habe das genauso empfunden, als die Kinder kamen und ich wusste, dass ich sie ohne Schwierigkeiten großziehen kann. Nach und nach kamen allerdings auch die Kröten, die man schlucken musste. Das geht los bei Tarifauseinandersetzungen, da man kein Streikrecht hat und in anderen Fällen auch nur remonstrieren darf. Über Mehrarbeit, die angeordnet wird und die man machen muss – Vorgriffstunde – und viele andere Dinge, auf die man keinen Einfluss hat. Bis hin zu den Bildern, die ich des Öfteren sehen musste, wenn sich Kollegen auf die faule Haut legten und trotzdem die gleiche Bezahlung erhielten. Besonders, wenn das negative Auswirkungen für die ihnen anvertrauten Schüler hatte.

   Eine Entfernung aus dem Dienst ist so gut wie unmöglich. In der Regel setzt in solchen Fällen ein Versetzungskarussell ein, auch Wanderpokal genannt. Erst wenn es gar nicht mehr geht, erfolgt eine Entfernung aus dem Dienst. Habe mehrere solcher Fälle beobachtet und wurde bei einem eingebunden. Möchte aber an dieser Stelle auf Beispiele aus Datenschutzgründen verzichten. Es ist fast unmöglich aus dem Dienst entfernt zu werden. Ebenso wie es fast unmöglich ist, das Referendariat nicht zu bestehen.

   Neben dieser Unkündbarkeit gibt es noch einige andere Privilegien, die Lehrer gerne für sich erhalten würden:

  • Im Krankheitsfall erfolgt die Bezahlung unabhängig von irgendwelchen Fristen.
  • Sie sind privat krankenversichert, wobei sie nur einen Teil absichern müssen, denn ein anderer Teil wird von der Beihilfe übernommen. Der Beihilfeanteil richtet sich nach der Anzahl der im Haushalt lebenden Kinder.
  • Beamte, nicht nur Lehrer, erhalten einen Familienzuschlag, wenn sie Kinder haben.
  • Die Altersabsicherung ist gut.

   Wir brauchen Lehrer, die nicht aufgrund der Beatmung diesen Beruf ergreifen, sondern weil sie ehrliches Interesse an diesem Beruf haben.

   Wir brauchen keine Lehrer, die diesen Beruf ergreifen, weil sie abgesichert sein wollen.
Ähnlich wie bei einer Kette, in der das schwächste Glied über die gesamte Stärke entscheidet, entscheidet der „Dienst-nach-Vorschrift“-Lehrer über die Entwicklungsmöglichkeiten eines Kollegiums.
Ich habe Lehrer kennengelernt, die seit ihrem Referendariat keine Fortbildung mehr besucht haben, obwohl sie schon 25 Jahre im Dienst waren. Oder ein Kollege, der mir auf die Frage, ob er einen Referendar nehmen könnte, antwortete: Nein, das kann ich nicht, dazu fehlen mir die theoretischen Grundlagen.

   Selbstverständlich sollten Lehrer angemessen bezahlt werden, da schließe ich Schulleiter ausdrücklich mit ein. Leistungsgerechte Bezahlung ist auch eine Sache, die heute, nimmt man seinen Auftrag ernst, nicht gegeben ist und die dringend geändert werden sollte.

„Inzucht der Lehrer: Sie kommen aus der Schule und lehren für die Schule, weil sie es nicht besser wissen.“ – Wolfgang J. Reus (1959 – 2006)

   Auch plädiere ich dafür, dass ein Lehrer einmal in seinem Leben die Schule für längere Zeit verlassen haben muss. Vielleicht mal ein Jahr in einem Betrieb gearbeitet hat, um „geerdet“ zu werden und zu sein. Gerade unter Lehrern habe ich das ein oder andere Mal Menschen kennengelernt, denen man die Weltfremdheit und ihren Beruf von Weitem angesehen hat.
Frei nach dem Motto:
Kommt ein Lehrer zum Schalterbeamten und sagt: „Ich hätte gerne zwei Fahrkarten. Also eine und noch eine.“
Man bemerkt schnell, wenn diese klassische „Lehrer“Laufbahn unterbrochen war. Solche Kollegen sind pragmatisch, daran gewöhnt das Problem zu lösen und nicht zu zerreden. Sie entwickeln eine andere, verständnisvollere Beziehung zu ihren Schülern.

Der Frosch im Brunnen ahnt nichts von der Weite des Meeres. Aus China Klick um zu Tweeten

   Um diesem Alltagstrott entgegenzuwirken oder Verkrustung gar nicht erst zuzulassen, würde ich in größeren Städten die Schulzugehörigkeit der Lehrer alle zehn Jahre neu auslosen, sodass sich Kollegien neu zusammensetzen. Es geht nicht um Arbeitsplatzverlust, sondern um Arbeitsplatzverlegung, eine Chance, sich neu zu positionieren. Ich weiß, dass das gegen die starke Lobby der Lehrervertretungen nicht durchzusetzen ist, trotzdem sehe ich das als eine Möglichkeit, dass sich Kollegien neu finden.

   Ein Schulbetrieb ohne beamtete Lehrer ist möglich und meines Erachtens sinnvoll. So wäre die Chance für die Lehrer auf eine leistungsgerechte Bezahlung gegeben, was sicherlich auf Dauer auch Schule verbessern würde. Für Lehrer hätte es keine Nachtteile, denn niemand würde einen engagierten Lehrer aus dem Dienst entfernen wollen. Es wäre allerdings einfache möglich, als es das heute ist.

   Schule benötigt keine Lehrer, die scharf auf die Beatmung sind.
   Schule braucht die besten Lehrer, die es gibt.

   Die Antwort, die ich bisher schuldig geblieben bin, was ist ein unnormaler Lehrer? Das ist im Augenblick der Lehrer, der trotz den beschriebenen Voraussetzungen nicht Dienst nach Vorschrift macht, sondern eine Beziehung zu seinen Schülern hat, diesen wertschätzend begegnet und sie fördert. Und im besten Fall einer der Lehrer ist, die schon einmal »richtig gearbeitet« haben und der weiß, wie schnell man aufgrund von Managementfehlern seine Arbeit verlieren kann.

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Die erfolgreiche Arbeit eines Lehrers zeigt sich dann, wenn er sagen kann: „Die Kinder arbeiten jetzt als würde ich gar nicht da sein.“
– Maria Montessori