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Individuelles Lernen

Posted in Übers Lernen, Lernen, Offener Unterricht, Organisation, and Schule

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Die Notwendigkeit der individuellen Förderung aller Kinder an den Schulen ist inzwischen in den Richtlinien der Länder festgeschrieben. Schon vor dieser Zeit gab es Schulen, die sich die individuelle Förderung auf die Fahne geschrieben haben und dies auch erfolgreich praktiziert haben.

Rückblick

Ich erinnere mich noch gut daran, das ich, als ich 1978 meine erste Stelle hier in Köln antrat, mit allen Lehrerinnen und Lehrern einen Film über die Freinet-Pädagogik anschauen musste und der sich an den Film anschließende Tenor war: Sie haben gesehen, wie man es machen kann.

Das war die Einleitung einer grundsätzlichen Änderung des Unterrichts in Schulen. Wir haben dann – unter Anleitung von erfahrenen Kolleginnen und Kollegen, heute würde ich sagen: die einäugigen unter den Blinden, ohne dass ich hier an dieser Stelle auch nur ansatzweise das Tun dieser Kolleginnen und Kollegen kritisieren möchte und das auch nicht so verstanden werden soll. Wir waren schon sehr dankbar, dass uns diese Kolleginnen und Kollegen unter ihre Fittiche nahmen, uns unterstützten und uns zumindest die Sicherheit gaben, die wir in diesem Moment benötigten. – uns hingesetzt und Material erstellt, Schulbücher zerlegt und in Prospekthüllen archiviert, die wir dann wiederum im Unterricht zur individuellen Arbeit (Freiarbeit) den Schülerinnen und Schülern zur Verfügung gestellt haben. In dieser Zeit wurde bekannt, dass in Alpen-Veen eine Schule gab, die diese Art der Freiarbeit schon seit Jahren praktiziert, und das Material auch verkaufen würde, sodass die Lehrer relativ schnell einen größeren Grundstock an Freiarbeitsmaterialien zur Verfügung haben und diese sich damit einfacher gestalten würde.
Also auf nach Alpen-Veen, Material gekauft und zur Fertigstellung am Nachmittag im Lehrerzimmer mit den Kollegen gesessen, eingetütet, Löcher mit dem Locheisen geschlagen, Prospekthüllen gefüllt und zugeschweißt, damit die Seiten nicht vorzeitig durch die Benutzung durch Schülerhände zerstört wurden und man wieder von vorne anfangen konnte.

Es war eine sehr arbeitsintensive Zeit und in der Rückschau würde ich sagen, es war ein „Rettungsanker“ an die wir uns klammerten, um die neuen Forderungen in der Klasse umsetzen zu können.

Und nun?

Inzwischen ist alles besser – könnte man meinen. Nach dreißig Jahren Entwicklung muss das einfach so sein. Es ist auch so, obwohl die Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen ist. Partnerarbeit, Gruppenarbeit und auch in Ansätzen Offene Lernumgebungen gehören heute zum Alltag der Schulen.

Angebotenes Unterrichtsmaterial ist professioneller und die Zeiten, in denen man im Lehrerzimmer zusammensaß und Unterrichtsmaterial erstellt, sind in der damaligen Art und Weise heute nicht mehr zu finden.

Die Vorstufe – Werkstattarbeit oder Starionenlernen

Das neue Zauberwort heißt in vielen Fällen „Werkstatt“. Diese Werkstätten gibt es inzwischen in vielen Variationen: Sachkundewerkstatt, Sprachwerkstatt, Aufsatzwerkstatt, Religionswerkstatt, Kunstwerkstatt, Mathematikwerkstatt usw..

Der Aufbau ist immer ähnlich. Ein Thema wird in aller Ausführlichkeit methodisch und didaktisch aufbereitet und in Arbeitsblättern zusammengefasst. Diese werden vom Lehrer kopiert und entsprechend der vorgegebenen Nummerierung – meist in Ablagekörbchen – den Schülern angeboten.

Jede Werkstatt hat bestimmte Arbeitsblätter, die jeder Schüler zwingend gemacht haben muss und außerdem Differenzierungsblätter für die schnelleren Schüler. Jede Station – deshalb fällt auch manchmal der Begriff „Stationenlernen“ – einen Experten, der bei Problemen weiter hilft.

Nach einer kurzen Einführung ins Thema, meist noch mit ergänzendem Anschauungsmaterial, zum Beispiel bei einer Frühlingswerkstatt, arbeiten die Schüler der Klasse dann die einzelnen Stationen nacheinander ab. Meist, wenn nicht eine logische Reihenfolge vom Thema vorgegeben ist, können diese Stationen nach Beliebigkeit abgearbeitet werden.

Das hat meiner Meinung nach nicht unbedingt etwas mit individuellem Lernen zu tun, denn individuelles Lernen nach meinem Verständnis würde jeden Schüler das erarbeiten, erforschen lassen, was ihn interessiert.

Sinnvoll, wenn die Entwicklung weiter geht

Allerdings und deshalb haben diese Werkstätten einen Sinn, der zumindest bei der Einführung Offenen Lernumgebungen sowohl für Lehrer als auch für Schüler sinnvoll und strukturiert an diese Form der Arbeit heranführt. Schüler erhalten so eine Struktur, mit der sie sich das Thema erschließen können und letztendlich auch erschließen. Diese Kompetenzen, die dabei erworben werden, sind übertragbar auf eigenes Tun in Offenen Lernumgebungen, in denen jeder Schüler an einem selbst gewählten Thema arbeitet.

Lernen mach Spaß

Am leichtesten lernt man, wenn ein eigenes Interesse an diesem Thema besteht und wenn Lernen in einer sozialen Gruppe möglich ist.
Dieser Ansatz wird durch viele Studien der aktuellen Hirnforschung unterstützt. Vom eigenen Lernverhalten her ist dieser Ansatz ebenfalls keine Unbekannte. Jeder weiß, dass er sich bei der Erschließung eines persönlichen Interessengebietes (Hobbys) ebenfalls leicht und ohne sichtbare Ermüdung einarbeitet, während das Erschließen eines Themenfeldes, das von außen aufoktroyiert worden ist, mühsam und schon manchmal auch, wenn man etwas gar nicht verstehen will oder behalten kann, Aggressionen verursacht gegen den, der das Lernen verlangt hat.

Langsam, aber stetig

Die Entwicklung geht weiter und muss weiter gehen. Neben immer Offeneren Lernumgebungen ändert sich die Bewertung der erbrachten Leistungen. Es ist kaum noch möglich, Leistungen über Klassenarbeiten oder Lernzielkontrollen zu bewerten, denn es geht nicht mehr darum, an einem willkürlich vorbestimmten Zeitraum eine Gedächtnisleistung zu erbringen, die eine gute Note zur Folge hat, sondern individuelle Kompetenzen zu erwerben, die eben nicht punktgenau abgerufen werden können und anschließend wieder in Vergessenheit geraten.
Jeder kennt das aus der eigenen Lernbiografie.

Auch und gerade Eltern können die Schule dabei unterstützen, indem sie ihr eigenes Schulbild und die eigenen Schulerfahrungen zurückstellen und möglichst unvoreingenommen und vertrauensvoll der Schule Raum für Entwicklungen geben.