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Eigenes Recht oder eigene Wahrheit für Politiker

Posted in Nachdenkliches, Politik, and Standpunkt

Ein Minister erfährt aufgrund seines Amtes, dass gegen einen Abgeordneten aller Voraussicht nach ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.

Um die Koalitionsverhandlungen nicht zu gefährden, teilt er das dem Vorsitzenden der künftigen Koalitionspartei unter dem Siegel der Verschwiegenheit mit. Dieser verbreitet die Infos in der Parteispitze. Ein Dienstgeheimnis wurde hier an unbeteiligte weitergegeben. Die Bundeskanzlerin, die Dienstherrin des Ministers ist, erhielt diese Informationen nicht.

Weitergegeben wurde die Information,

  • um die Verhandlungen nicht zu gefährden?
  • damit ein Posten nicht mit jemandem besetzt wird, der unter Umständen mit einer Anklage rechnen muss?

Aber was wäre denn passiert, wenn dieser jemand angeklagt worden wäre und den Posten eines Innenministers bekleidet hätte? Ein kurzes Rauschen im Blätterwald, Rücktritt, neuer Minister und fertig.

Der Innenminister ist aufgrund des Dienstgeheimnisverrates zurückgetreten worden. Er selbst sieht nicht ein, dass er sich nicht korrekt verhalten hat.
Ans Licht ist dieser Vorgang durch eine Indiskretion der Partei, der er im Grunde einen Gefallen wollte.
Nur am Rande: Inzwischen ist er versorgt. Er erhält einen Posten in der Parteiführung.

Der Fraktionsführer der Koalitionspartei ruft beim BKA-Leiter an, um sich die Information des Ministers bestätigen zu lassen. Im Grunde fordert er ihn damit zum Geheimnisverrat auf. Dieser soll mit Schweigen reagiert haben, was in diesen Kreisen als Bestätigung gilt!?!
Anmerkung: Merkwürdige Interpretation, die allenfalls verstehen könnte, wenn es im direkten Gespräch geschehen wäre und nonverbale Kommunikation dieses bestätigte. Auch dann wäre es die Interpretation nichts sicher. Am Telefon allerdings halte ich diese Interpretation für »an den Haaren herbeigezogen.«

Die Information über diesen Vorgang macht der Fraktionsvorsitzende der Koalitionspartei während einer Pressesitzung öffentlich.

Hinzufügen muss man noch, dass sowohl der ehemalige Innenminister als auch der Fraktionsführer ausgebildete Juristen sind. Letztere hat unter anderem als Richter gearbeitet.

Auf den Fraktionsvorsitzenden wird wiederum Druck ausgeübt und ihm von der Partei, der der ehemalige Innenminister angehört, der Rücktritt nahegelegt.
Diesem Ansinnen wird seitens der Partei des Fraktionsvorsitzenden vehement widersprochen, denn dieser habe nicht falsch gemacht und sich korrekt verhalten.

Anmerkung:
Indiskretionen wie diese scheinen zum Geschäft zu gehören und unter Politikern nicht verwerflich zu sein, auch dann nicht, wenn ein Dienstgeheimnis verletzt wird der dazu aufgefordert wird. Das hat mit dem Recht, das für die Bürger dieses Landes gilt, nichts zu tun.

Gleiches scheint ebenfalls innerhalb der Partei zu gelten, denn wer dem Chef dort nicht mehr gefällt, wird aus der Partei ausgeschlossen. Das, obwohl das Ermittlungsverfahren nicht mal gegen den Menschen, der die Krise durch das Kaufen von Fotos mit nackten Knaben ausgelöst hat, abgeschlossen ist. Wo bleibt die Unschuldsvermutung?

Unabhängig davon, dass ich nicht verstehen kann, dass sich jemand Bilder von nackten Knaben kauft und ich eine Ermittlung für gerechtfertigt halte, ist das Vorgehen der Politiker doch mehr als fragwürdig. Da der Kauf in unserem Land nicht gesetzlich verboten ist, was ich für wünschenswert erachten würde, ist die Sache moralisch bedenklich. Hier wünsche ich mir ein Verbot und gleichzeitig ein Hilfsangebot für betroffene Menschen.

Wahrheit bleibt Wahrheit, auch wenn durch gebetsmühlenartiges Wiederholen immer der gleichen Floskeln: »Er hat es doch nur gut gemeint!« und »Er hat sich richtig verhalten!«, wird auch nicht richtig, was falsch ist.

Viel schlimmer finde ich, dass zweierlei Recht zu gelten scheint. Eines für Politiker – ihnen ist alles erlaubt und eines für normalsterbliche, denen nicht einmal nachgesehen wird, wenn sie ohne Ticket in der Bahn erwischt werden, obwohl der Automat kaputt war.

Hinzu kommt das Gefühl, ausgeliefert zu sein, denn was interessiert unser Politiker noch, was der Souverän, das Volk dazu meint?

Politikverdrossenheit wird so gefördert und selbst, wenn man mit dem Gedanken zur Wahl geht, ich wähle das kleinere Übel, um so seiner Pflicht als Staatsbürger nachzukommen, verwischen sich die Grenzen immer mehr. Welche Partei das kleinere Übel ist, ist kaum noch zu erkennen.

Es fehlen Politiker, die die Macht, die sie vom Volk bekommen haben, auch in dessen Sinne verwenden.