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Die etwas andere Klassenfahrt!

Posted in GU = Gemeinsamer Unterricht, Inklusion, Lernen, Nachdenkliches, and Schule

Vorspiel
„Du spinnst!“, war die erste Reaktion meiner Frau, als ich ihr von der geplanten Klassenfahrt erzählte. Auch alle anderen, die von der Idee erfuhren, sahen mich an, als sei ich von einem anderen Stern oder frisch aus der geschlossenen Abteilung einer Klinik für psychisch kranke Menschen entsprungen.
Kein Wunder also, dass ich nachdenklich wurde und natürlich auch verunsichert war.
Ich hatte mal erwähnt, dass ich gerne mit der Klasse eine Fahrradtour machen würde. Vielleicht denken Sie jetzt noch, liebe Leserin und lieber Leser, das ist doch nichts Besonderes. Das stimmt natürlich! Aber, es sollte ja eine besondere Fahrradtour sein. Konkret sollte es eine Fahrradtour mit fünfundzwanzig Kindern die Ruhr entlang sein. Von Winterberg bis zum Rhein und dann, wenn es gut lief, auch noch den Rhein stromauf bis Köln. Schätzungsweise circa 340 km, die bewältigt werden wollten.
Leider war das aber organisatorisch nicht so einfach vorzubereiten, denn schon die entsprechenden Unterkünfte am Wegesrand gab es nicht. In der Herbstzeit kann man auch schlecht auf Campingplätzen übernachten. Nach längerer Recherche verwarf ich dann den Gedanken wieder – aber nicht die Idee.
Durch Zufall erregte ein Flyer meine Aufmerksamkeit, in dem ein Haus der Lebenshilfe im Bergischen Land aufgeführt war. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich rief dort an und musste erfahren, dass dieses Haus in diesem Schuljahr schon ausgebucht sei.
„Schade!“, dachte ich und wollte schon gerade das Gespräch beenden, als ich dann doch noch nachfragte, ob es eine andere Möglichkeit der Übernachtung irgendwo im Bergischen Land gäbe. Die nette Mitarbeiterin sah nach und nannte mir dann „Haus Hammerstein“ in Hückeswagen als mögliches Ziel. Parallel zum Gespräch schaute ich im Internet nach und muss sagen, das Haus gefiel mir. Der Radroutenplaner NRW, in den ich schnell Start- und Endpunkt eingegeben hatte, meldete eine Strecke von etwas über 50 Kilometer, was durchaus als Tagestour im Rahmen des Machbaren liegt. Allerdings müssen fünfhundert Höhenmeter bei der Hinfahrt überwunden werden. Die Steigungen hielten sich auch in Grenzen und waren zum Teil recht langsam ansteigend, sodass diese auch kein größeres Problem darstellen sollten, wenn wir mit wenig Gepäck reisen würden. „Zur Not müssen wir schieben!“, dachte ich und entschied, dass das machbar sei.
Google Earth zeigte die fantastische Lage des Hauses, das mitten auf einer Landenge zwischen den einzelnen Becken der Wuppertalsperre lag und der Entschluss war gefasst.
Eine Kollegin hatte sich bereit erklärt, mitzufahren und war von der Idee ebenso begeistert, wie ich es war. Als ich ihr später davon erzählte, bestätigte sich die Begeisterung!
Kurz entschlossen habe ich mir das Haus in Klassenstärke reservieren lassen.

Vorbereitung
Auf dem ersten Elternabend in diesem Schuljahr wurde das Thema besprochen. Alle Eltern waren einverstanden und freuten sich über diese besondere Klassenfahrt.
Lange Zeit passierte dann gar nichts mehr, denn der Alltag hatte uns nach den Sommerferien wieder fest im Griff und die Klassenfahrt war ja noch so weit weg. Zwischendurch wurde mit den Kindern das verkehrssichere Fahrrad besprochen und die mobile Verkehrsschule hatte auf dem Schulhof einen Parcours aufgebaut. Kinder der 3./4. Schuljahre konnten hier noch einmal unter ungefährlichen Bedingungen bremsen, Handzeichen geben, über die Schulter schauen und eben die Dinge üben, die für ein sicheres Fahrradfahren so wichtig sind.
Die Vorbereitungsfahrradtour, zu der wir an einem Morgen starteten, war 23 Kilometer lang und wurde von den Kindern gut gemeistert. Fahren nebeneinander, hintereinander und immer einen ordentlichen Sicherheitsabstand einhalten, war kein Problem. Die Rückfahrt war zeitlich wesentlich schneller absolviert, weil wahrscheinlich die Fahrregeln eingeprägt waren.
Die zweite Vorbereitungstour, die über eine Strecke von 43 Kilometer geplant war, ist im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser gefallen. Es hat geschüttet wie aus Eimern an diesem Tag, sodass wir nicht losfahren konnten.
Zwar war uns bewusst, dass uns dieses Wetter auch bei der richtigen Tour treffen könnte, aber uns so ohne Zwang diesem Regen auszusetzen, haben wir dann doch nicht so richtig eingesehen – wir haben uns einfach nicht überwinden können.

Finanzen
Nach Bekanntgabe der Kontonummer, auf die das Geld überwiesen werden sollte, trudelte dieses auch relativ schnell ein. Allerdings war die Zeit so knapp, dass wir eine Anzahlung nicht mehr leisten konnten.
Schwierig war es, das Geld der Bildungspaketberechtigten zu bekommen. Das lag und liegt sicherlich auch an der Art und Weise, wie das Bildungspaket in Anspruch genommen werden kann.
Anspruchsberechtigte stellen den Antrag bei ganz unterschiedlichen Stellen. ARGE und Sozialamt sind in der Regel die meist genutzten Antragsstellen. Von der Schule wird die Klassenfahrt mit den Kosten bestätigt und dann von den Eltern dem zuständigen Amt vorgelegt.
Ob die Eltern nun und auch wann die Eltern nun den Antrag vorgelegt haben, erfährt die Schule nicht.
So war es auch nicht verwunderlich, dass das Geld nicht pünktlich auf dem Konto war. Eine Woche vor der Fahrt haben wir also noch einmal Zettel an die Eltern verteilt, die noch nicht das Geld überwiesen hatten. Interessanterweise erfolgte darauf keine Reaktion.
Wir haben dann entschieden, dass der Kostenbetrag für die Klassenfahrt nicht von uns vorgelegt werden würde. Insgesamt wären das gute vierhundert Euro gewesen.
Am Freitag vor der Fahrt habe ich dann leider einem Jungen sagen müssen, dass er nicht dabei sein könne, denn das Geld wäre immer noch nicht da.
Er ist dann wohl direkt nach dem Unterricht nach Hause und hat das seinen Eltern erzählt, sodass der Vater in die Schule kam. Er versicherte, dass das Geld am Montag auf dem Konto sei.
Leider war das Geld – ich hatte es nicht anders erwartet – nicht auf dem Konto. Als nun der Junge mit seiner Mutter kam, hatte ich die schwere Aufgabe, ihr und ihm zu sagen, dass eine Mitfahrt nicht möglich sei.
Die Mutter war scheinbar darauf vorbereitet und wollte nun bar zahlen, damit ihr Sohn mitfahren kann. Das Geld würde ja spätestens am Dienstag auf dem Konto sein, dann könne ich ihr das bei unserer Rückkunft am Donnerstag wieder geben.
Da wir nun das Geld hatten, sprach von unserer Seite nichts dagegen, den Jungen mitzunehmen, was wir auch taten. Heute ist Dienstag und das Geld ist immer noch nicht auf dem Konto. Bin gespannt, ob es bis Donnerstag eingetroffen ist und ich der Mutter die Barzahlung zurückgeben kann.

Letzte Vorbereitungen
Endlich stand der Tag der Abfahrt bevor. Nur noch ein Wochenende lag dazwischen und das wurde genutzt, um die wichtigen Sachen für die Fahrt zu beschaffen und einige Dinge zu regeln. Werkzeug musste beschafft werden, falls uns unterwegs ein Platten zu schaffen machen sollte. Pflaster und Verbandsmittel mussten ebenfalls besorgt und mitgeführt werden, denn es konnte ja immer sein, dass wir nach einem möglichen Sturz eine Wunde verbinden mussten.
Eine Mutter hat sich freundlicherweise bereit erklärt, das Gepäck mit ihrem Auto zum Zielpunkt zu fahren und eine Mutter war so lieb und hat ihren freien Tag eingesetzt, um uns auf dem Fahrrad zu begleiten.
Meine Satteltaschen mussten auch noch gepackt werden. Da wir alle mit leichtem Gepäck fahren wollten, mussten die beiden Taschen reichen. Tastatur und PC sollten auch mit, da ich dort auch etwas schreiben wollte. Gut verstaut und fest verschnürt standen die Taschen am Abend bereit.

Abfahrt
Montag, 8:00 Uhr. Auf dem Schulhof waren viele Kinder mit Fahrrädern zu sehen und auch einige Eltern, deren Blick durchaus als sorgenvoll interpretiert werden konnte. Die Kinder, alle mit Helm und gelber Warnweste, waren guter Laune und voller Tatendrang und konnten es kaum erwarten, dass wir endlich das Abenteuer begannen.
Zuvor musste aber noch das Gepäck verstaut werden, das uns nach Hückeswagen gebracht werden würde.
Ein paar Fragen von Eltern, einige aufmunternde Worte an die Eltern und dann rief Frau L.: „Ein Küsschen noch …!“
Dann ging es los. In Zweierreihen fuhren wir von der Schule Richtung Rhein und dort dann ein paar Kilometer entlang. Den Blick auf das schöne Panorama mit den Kranhäusern, der Severinsbrücke, unter der wir durchfuhren, den Dom, der uns zuzuwinken schien, und auf das schöne Altstadtpanorama.
Dann ging es am Deutzer Bahnhof vorbei und auf dem Radweg durch das Messegelände, am Rheinpark entlang und anschließend mussten wir uns erstmals mit unserer Gruppe in den fließenden Verkehr einfädeln, denn wir mussten zur Bergisch Gladbacher Straße kommen, um dort weiter Richtung gleichnamiger Stadt zu fahren.
Vorbildlich hielt die Gruppe, die nicht bei Grün die Straße überqueren konnte, und die vordere Gruppe wartete am Straßenrand, bis die andere Gruppe wieder Grün hatte und folgen konnte.
Hierbei trafen wir auf ganz unterschiedlich Autofahrertypen. Einige hatten die Ruhe weg und blieben einfach hinter uns, andere konnten es gar nicht erwarten, uns zu überholen und taten dies auch mit teilweise recht geringem Sicherheitsabstand und hoher Geschwindigkeit, um dann an der nächsten Ampel wartend, wieder von uns eingeholt zu werden.
Man merkt leider immer noch sehr stark, dass in Köln das Auto alles dominiert. Einerseits an der fehlenden Kenntnis der Autofahrer, was den Sicherheitsabstand betrifft, andererseits auch an den Radwegen, die im Grunde wegen ihrer Beschaffenheit von der Benutzungspflicht ausgenommen worden sind. Schwer zu fahren sind diese Wege, besonders in Gruppen und mit Geisterradlern, die uns auf diesen Wegen entgegenkamen.
Wir waren froh, als wir dieses Stück endlich hinter uns hatten, da, obwohl wir so raumgreifend gefahren sind, dass Überholen kaum möglich war. Trotzdem haben es einige Autofahrer versucht.
Auf dem Parkplatz am Thielenbruch haben wir dann die erste Pause gemacht, Butterbrote gegessen und uns ein wenig gestärkt, bevor es weiter ging.
Das Navi, das ich auf dem Lenker montiert hatte, führte uns gut, wenn auch die Anzeige manchmal etwas spät kam. Wir sind aber nicht viel von der Route abgewichen.
Häufiger endete der Radweg unvermittelt und wir mussten die Seite wechseln, um weiterfahren zu können. Die Straßenüberquerung wurde nicht gerne gemacht. Wir haben dann immer die Straße gesperrt und die Gruppe komplett über die Straße gelotst. Meist lächelten die Autofahrer und warteten geduldig. Ein Erlebnis der unschönen Art hatte wir auch, aber davon später mehr.
Die Fahrt war unspektakulär und somit unfallfrei und ohne besondere Vorkommnisse. Es ging den Berg hoch – manchmal mit Schieben des Fahrrades – und dann wieder den Berg hinunter. Letzteres hat natürlich mehr Spaß gemacht, denn man konnte das Rad einfach laufen lassen und die Geschwindigkeit genießen. Wenn man sich mühsam einen Berg hinaufgequält hatte, man oben auf der Bergkuppe Pause machen musste, weil man auf die letzten Kinder warten musste und dann auch noch mal eine Pause, weil diese natürlich auch ein Pause brauchten, so ging die Abfahrt doch immer viel zu schnell zu Ende. Das Verhältnis von Quälerei berghoch und Freude bei der Bergabfahrt steht in keinem vernünftigen Verhältnis zueinander.
Das merkte man irgendwann auch den Kindern an. Die Fragen: „Wann sind wir da? Wie viele Kilometer müssen wir noch fahren?“ mehrten sich mit der Anzahl der gefahrenen Kilometer.
Eine zweite Runde Eis hob die Moral wieder etwas und jede Bergabfahrt wurde mit Freudenrufen begrüßt.

Unverständlich und ein schlechtes Beispiel.
Am Altenberger Dom, den wir besichtigt haben, denn Kultur, die sich so monumental am Wegesrand befindet, wurde natürlich in Augenschein genommen.
Am angrenzenden Parkplatz gab es ein Büdchen (Kiosk), das wir ansteuerten, da es keine REWE, EDEKA, ALDI oder LIDL im Ort zu entdecken gar.
Wir wollten nach gut fünfundzwanzig Kilometern eine Pause machen und für die disziplinierte und vorbildliche Fahrt ein Eis ausgeben. Der Preis lag zwar jenseits von Gut und Böse, aber das war egal. Der Büdchenbetreiber war freundlich und die Motorradfahrer, die dort Pause machten, sahen unsere Gruppe anerkennend an.
Als das Eis vertilgt war, nahmen wir wieder unsere Räder und formierten uns zur Weiterfahrt.
Am Ende der Zufahrt zum Parkplatz mussten wir eine Straße überqueren, um wieder auf den Radweg zu kommen.
Nach bewährtem Muster sperrte Frau R. die eine Spur und ich die andere Fahrbahnhälfte, in dem wir uns mit unseren Fahrrädern quer auf die Fahrbahn stellten.
Plötzlich kam auf meiner Seite ein VW-Bus, LTE oder ähnliches Fahrzeug angeschossen. Schnell blinkende Lichthupe, rhythmisch betätigte Hupe und ohne die Geschwindigkeit ein bisschen zu reduzieren. Ich sah mich schon als Kühlerfigur und der Gedanke, dass noch einige Kinder von diesem Fahrzeug überfahren werden könnten, schossen mir durch den Kopf. Mit der Hand machte ich Zeichen, um den Fahrer dazu zu bewegen, doch endlich die Bremse zu betätigen. Der Bus verlangsamte sich plötzlich schnell, denn der Mann im Fahrzeug schien die Bremse doch noch gefunden zu haben und hielt nicht mal einen Meter vor mir.
Er hatte eine Zahnlücke zwischen den oberen Schneidezähnen, war unrasiert und die dreckig blonde Haarfarbe bestätigte das ungepflegte Aussehen.
Durch das offene Seitenfenster brüllte er mich an: „Mach Platz, da du Wichser! Du blödes Arschloch!“ Ich möchte hier nicht alle seinen unflätigen Ausdrücke niederschreiben. Der kurze Eindruck, den ich hier aufgezeigt habe, verstärkte sich in einer immer heftigeren Weise, sodass ich schon damit rechnete, dass er gleich das Gaspedal durchtrat.
Aus irgendeinem Grund stockte die Straßenüberquerung, weil die Kinder das Verhalten mitbekommen hatten. Ich schob also mein Rad zur Seite und der Fahrer fuhr mit seinem Fahrzeug mit Höchstgeschwindigkeit davon. Zu diesem Zeitpunkt war die gegenüberliegende Seite immer noch durch Frau R. gesperrt, die Gruppe hatte die Fahrbahn noch nicht überqueren können und ich war mit meinem Fahrrad noch nicht von der Fahrbahn wieder herunter. So ein aggressives Verhalten habe ich noch nie erlebt. Hier waren auch eindeutig Kinder im Spiel und da erwarte ich auch ein anderes Verhalten von Verkehrsteilnehmern. Meist war das auch in Ordnung. Auf der Fahrt haben wir viele Autofahrer erlebt, die rücksichtsvoll und mit viel Geduld von sich aus angehalten haben und es uns so ermöglichten, dass wir die Straße überqueren konnten.

Ich kenne solche Auseinandersetzungen zwischen Autofahrern und Radfahrern. Wenn ich selbst involviert bin, so habe ich das meist, wenn ich dann wieder zu Hause bin, vergessen. Auch dann, wenn ich mich vorher so aufgeregt habe, dass ich auch eine Anzeige machen wollte.
In diesem Fall ist es aber anders. Durch die Grenzen des Miteinanders und auch im Hinblick auf Paragraf 1 der Straßenverkehrsordnung bin ich der Meinung, dass so etwas nicht passieren darf und aus diesem Grund werde ich gegen diesen Fahrer, dessen Autonummer ich mir vorsorglich aufgeschrieben habe, eine Anzeige erstatten.

Auf dem höchsten Berg, den wir teilweise schiebend erklommen hatten, haben wir dann Frau Sch. angerufen, die auf unseren Anruf wartete, um das Gepäck und Frau AC nach Hückeswagen zu bringen.

Da waren wir noch guter Dinge und dachten, in einer Stunde sind wir da.
Eineinhalb Stunden später ging mein Telefon und Frau Sch. war am Apparat.
„Wann sind Sie hier?“, fragte sie, „die Rezeption wird um 18:00 Uhr geschlossen!“
„Wir sind dreieinhalb Kilometer für Hückeswagen!“, antwortete ich, nicht ahnend, dass das nicht stimmte.
Mein Navi hatte sich inzwischen verabschiedet, denn die beiden Batterien waren leer und jetzt viel mir siedend heiß ein, dass ich Ersatz vergessen hatte.
„Wird schon so klappen!“, dachte ich. „Fragen wir halt gleich jemanden.“
Der Weg, den wir auf der falschen Seite auf dem Bürgersteig zurücklegten, denn der Radweg endete plötzlich, war von Ampeln unterbrochen, sodass die Gruppe sich auseinanderzog. Nach einem Kreisverkehr warteten wir, bis die Gruppe wieder vollständig war, und fuhren langsam weiter. Am Sportplatz stand eine kleine Gruppe von Männern und Frauen, die ich nach dem Weg fragte.
„Da haben Sie aber noch ein schönes Stückchen vor sich! Einen ordentlichen Berg müssen Sie auch noch hinauf!“, wurde ich aufgeklärt, bevor man den Weg erklärte.
Nach eindringlicher Instruktion und Wiederholung, dass ich auch alles verstanden hatte, was dann wieder vom Wortführer bestätigt wurde, fuhren wir ein Stück zurück und bogen dann über einen Parkplatz in Richtung Wupper ab. Am Vorstauwerk vorbei, die Staumauer nicht überfahrend, fuhren wir nun ein ganze Weile am Wasser entlang.
Wunderschöne Landschaft, sich im glatten Wasser spiegelnde Bäume und ein sich spiegelnder Himmel belohnte die Fahrt. Dann ging es bergauf. Steil bergauf, aber nicht so steil wie die Berge, die wir hochgefahren waren.
Die Luft war wohl etwas raus und die Kraft hatte nachgelassen.
An einer Tafel mit einer Wanderkarte sammelte sich die vordere Gruppe. Schnell war der Standort ausgemacht, der auf der Karte eingezeichnet war. Dann war auch Haus Hammerstein gefunden. Ganz in der Nähe und wie uns die Männer gesagt hatten, ging es von da an nur noch bergab.
Also schnell auf die Räder und rollen lassen. Frau Rieth wartete auf die folgenden Kinder. Es ging wirklich nur bergab, so schnell, dass wir bremsen mussten. Vorbei an Wiesen mit Kühen, Rindern mit langen Haaren und spitzen Hörnern, an einem Reiterhof, wo Pferde und Esel auf dem Hof standen und dann war es da – das Schild!

Haus Hammerstein
stand darauf und das Schild wies in eine Richtung, in der es auch bergab ging.
Schnell um die Ecke und den Berg hinunter, unten standen Frau Sch. und Frau AC, die mit dem Auto und unserem Gepäck vorgefahren waren.
Laute Freudenrufe, Fahrräder abstellen, angekommen!

Der Abend
Da wir nicht in einem „normalen“ Schullandheim einkehrten, sondern in ein Hotel, wurden wir gleich zu Anfang mit einem Schild begrüßt: „Wir begrüßen die Schülerinnen und Schüler der GGS ***“, stand dort zu lesen.
Da die Rezeption aber schon geschlossen war, wurden die Schlüssel von Frau Sch. und Frau AC ausgegeben. Jeder musste nach Erhalt unterschreiben, dass er den Zimmerschlüssel erhalten hatte. Ein erhebender Moment.
Dann ging es die Treppe hoch zu den Zimmern.
„Oh! Komm mal schnell gucken!“, hörte man die Rufe der Kinder und viele machten einen Zimmerrundgang. Jedes Zimmer war anders. Eines größer, eines kleiner, eines mit großem Badezimmer, eines mit kleinem Badezimmer, eines in Grün, ein anderes in Weinrot gehalten. Doppelbetten oder zwei Einzelbetten standen in den Zimmern. Antike Möbel und einige Zimmer hatten eine riesige Dachterrasse. Jedes Zimmer anders, aber alle wunderschön und gediegen.
An der Wand hingen Fotos von vielen Prominenten, die schon hier übernachtet hatten: Erik Ode, Inge Meysel, Kilius / Bäumler, Dr. Helmut Kohl, ehemaliger Bundeskanzler und „Vater der deutschen Einheit“, Ludwig Erhard, und noch viele mehr.
Egal, auf welcher Seite man sein Zimmer hatte, immer blickte man auf die Wuppertalsperre.
Nachdem die Taschen abgestellt und die Zimmer in Besitz genommen worden waren, ging es runter in den Speisesaal. Wunderbar in Weiß und Lindgrün gehalten. Alte Stühle und wunderschön gedeckt.
Bevor man den Speisesaal erreicht, muss man einen Vorraum durchqueren. Dort war das Abendbüffet aufgebaut: Brot und Brötchen aller Art, Lachs, Fisch, Wurst, Kartoffelsalat, Heringssalat, Wurstsalat mit Cherry-Tomaten, Orangensaft und noch mehr.
Ein Raunen war zu hören, als die Kinder auf die verschiedenen Lebensmittel zeigten, die dort aufgebaut waren. Der Hunger war groß und so wurde ordentlich zugelangt. Lecker war es und alle erhoben sich satt und müde vom Tisch.
Im Tagungsraum wurde noch ein kurzer Bericht vom Tag erstellt. B. hatte plötzlich den Kopf auf dem Tisch und schlief. Anschließend ging es in die Zimmer und nach einer Dusche wurde der Schlafanzug angezogen und endlich konnte man schlafen. Die Fernbedienungen der Fernseher und die Telefone, die in jedem Zimmer waren, haben wir eingezogen.

Der nächste Morgen
Um acht Uhr sollten wir zum Frühstück im Speisesaal sein. Um halb acht haben wir dann die Kinder geweckt.
„Lass mich schlafen!“, hörten wir mehr als einmal an diesem Morgen und mussten schmunzeln. Das hat es eigentlich noch nie bei einem Schullandheimaufenthalt gegeben – Kinder, die man wecken musste.
Einerseits zeigte es, wie anstrengend die Fahrt gewesen war, andererseits auch die Wirkung von Zweibettzimmern, denn hier konnten sich nur zwei Kinder noch unterhalten und nicht vier oder sechs Kinder. Letztere hätten sich sicherlich gegenseitig länger wach gehalten. Die Wirkung der Zweibettzimmer bestätigte sich in den nächsten Tagen.
Das Frühstücksbuffet übertraf fast noch das Abendbüffet. Das sollte sich auch die kommenden Tage so fortsetzen. Das Essen war nicht nur schmackhaft, sondern liebevoll zubereitet und hochwertig. Neben Fleisch auch eine Alternative für Vegetarier, Salat und Nachtisch. Getränke waren im Preis inbegriffen und standen in ausreichendem Maße zur Verfügung. Auch frisches Obst stand den ganzen Tag bereit und wartete auf Verzehr. Mir hatten es besonders die Pflaumen angetan, die dick und prall frisch im Korb lagen.
Nach dem Frühstück haben wir dann erst einmal Gruppen eingeteilt. Zehn Kinder gingen dann ins Schwimmbad und zehn Kinder in den Aufenthaltsraum. Dort haben wir dann noch ein bisschen an den Texten vom Vorabend gefeilt.
Protest gab es nur von einem Schüler: „Unterricht! Das ist ja wie in der Schule hier!“
Der Protest wurde aber von den anderen Schülern nicht akzeptiert und so wurden individuelle Tipps gegeben und Änderungen in den Texten vorgenommen.
Als die Kinder aus dem Schwimmbad hochkamen, wechselte die Gruppe. Die Schwimmgruppe feilte dann an den Texten und die andere Gruppe vergnügte sich im Schwimmbad.
Am Nachmittag wollten wir einen Rundgang durch den Wald zur gegenüberliegenden Seite machen. Leider setzte da Regen ein, sodass wir diesen Waldspaziergang nicht machen konnten. Die Kinder vergnügten sich meist vor dem Haus oder spielten im Aufenthaltsraum. Einige Kinder haben es sich auch lesend davor in einem der vielen bequemen Sessel gemütlich gemacht. Eine Mädchengruppe saß beieinander und erzählte sich Witze. Harmonisch und gemütlich war es.
Der Koch war so nett, uns kurz zum Aldi mitzunehmen, weil wir noch Müsliriegel für die Rückfahrt kaufen wollten. Gummibärchen waren dann auch noch plötzlich und auf unerklärliche Weise in den Einkaufswagen und die Einkaufstüte gelangt. Hierbei muss es sich wohl um eine neue Verkaufsstrategie handeln, denn gewollt war das nicht.

Leider war das Wetter dann doch nicht dauerhaft trocken und die Schauer haben uns noch einen Strich durch unsere Bootsfahrt gemacht. Gerade als wir uns sammeln wollten, um die Kinder auf die Boote aufzuteilen, kam ein ziemlicher Guss vom Himmel. Bootsfahrt ade, konnte man da nur sagen, denn alles war nass. Auch die Boote zusätzlich auf der falschen Seite. Dabei hätten wir ein Tretboot, ein Ruderboot und zwei Kanadier zur Verfügung gehabt.
Naja, am Feiertag haben wir dann alternativ einen Film auf 3sat geschaut. Für die Kinder war das in Ordnung und ein bisschen Ausruhen vor der anstrengenden Fahrt am morgigen Tag war ja auch nicht unbedingt verkehrt. Blieb nur zur hoffen, dass wir am folgenden Tag kein schlechtes Wetter haben und wir weitestgehend oder ganz vor Regenschauern oder Dauerregen verschont bleiben würden.

Rückfahrt
Schon am Abend vorher wurden die Dinge, die nicht mehr benötigt wurden, in die Tasche gepackt. Frühstück gab es statt um 8:00 Uhr schon um 7:30 Uhr, denn Frau A. wollte um 8 Uhr da sein, um das Gepäck abzuholen und Frau F. mitsamt ihrem Fahrrad mitzubringen, um uns auf der Rücktour zu begleiten.
Am Nachmittag zuvor hatte es angefangen zu regnen, sodass wir unsere Bootstour nicht mehr machen konnten und diese im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser fiel.
Als wir aufstanden, hatte es auch geregnet, allerdings hörte es auf, als wir das Gepäck zum Auto trugen. Frau A. hatte ihren Vater mitgebracht, da ihr Auto kurz zuvor in Streik getreten war.
Dann sollte es losgehen. Die Fahrräder waren fertig, Rücksäcke auf dem Rücken oder Fahrradtaschen am Gepäckträger befestigt. Reiseproviant und Getränke für unterwegs. Die zuvor besorgten Müsliriegel, wurden beim Frühstück verteilt.

„Los geht`s!“
Eigentlich sollte das das Signal zum Aufbruch sein, aber der Regen hatte es wohl als Signal für sich interpretiert, denn es begann zu regnen. Erst nur ein paar Tropfen, dann immer mehr. Regenklamotten anziehen und dann hoffen, dass der Regen wieder aufhörte.
Den Gefallen tat uns Petrus, oder wer immer dafür verantwortlich ist, nicht. Es regnete wie aus Kübeln, dazu ein kalter Westwind, der uns entgegenwehte und den Regen vor sich her trieb. M. konnte kaum noch etwas sehen, da er eine Brille aufhatte und diese von Regentropfen bedeckt war. Kaum hatte er sich die Regentropfen mit der Hand abgewischt, sah die Brille schon wieder genauso aus. Er tat mir richtig leid.
Besonders haarig war die Fahrt, als wir hoch über Altenberg den Berg herunterfuhren. Normalerweise ein Grund zu jubeln, aber in diesem Fall nicht, denn der Radweg war von Laub bedeckt. Dies in Kombination mit dem Regen, sorgte für eine rutschige Pampe, sodass ich vorne als Bremser das Tempo verlangsamte.
Kaum passierten wir das Ortsschild „Köln – Stadtteil Dellbrück“, ließ der Regen nach und hörte dann ganz auf. Von Westen waren plötzlich helle Streifen am Horizont zu sehen.
Insgesamt war die Strecke um zehn Kilometer kürzer, da wir nun keine Steigungen vermeiden mussten, sondern weite Strecken abwärts fuhren.
Am Zielort angekommen, fuhren wir durch eine kleine Straße dem Eingang der Schule entgegen.
Dort standen viele Eltern, die ihre Kinder abholten. Sie bildeten eine Gasse und klatschen.
Wir wurden begrüßt wie Sieger. Letztendlich waren wir das auch, denn jeder hatte eine individuelle, tolle Leistung erbracht.

Fazit
Anfangs habe ich schon erwähnt, dass ich nicht damit gerechnet hatte, eine Zustimmung der Eltern zu dieser Klassenfahrt zu erhalten. Manchmal etwas überbehütend, aber immer besorgt um das Wohl der Kinder, habe ich die Eltern bisher kennengelernt.
Ich bin mir bewusst und es erfüllt mich mit Stolz, dass die Eltern zugestimmt haben. Es zeigt doch, dass hier ein besonderes Vertrauensverhältnis vorliegen muss.
Dass die Kinder diese Tour meistern würden, habe ich nicht eine Sekunde in Zweifel gezogen. Auch wenn die Fahrt länger gedauert hat, als wir im Mathematikunterricht errechnet haben, so hat kein Kind unterwegs von Aufgeben gesprochen. Der Durchhaltewille war auch gegen Ende der Tour ungebrochen.
Das harmonische Miteinander hier in Hückeswagen im Haus Hammerstein ist sicherlich auch auf das schöne Ambiente und die Doppelzimmer zurückzuführen. Gewiss ist aber die Klassengemeinschaft insgesamt während dieser Tour noch mal ein Stück zusammengerückt. Das gemeinsame Meistern einer solchen Fahrt lässt das Sehen der Kinder in ihren Stärken und Schwächen zu und das gemeinsame Überwinden, der Zusammenhalt und das erreichen des gemeinsamen Ziels, lassen jede einzelne Schülerin und jeden einzelnen Schülern in positivem Licht erstrahlen. Kleine Helden, die eine Leistung erbracht haben, die ihresgleichen sucht.

Was haben die Kinder dabei gelernt?
Das ist gar nicht so einfach zu sagen. Sicherlich haben sie gelernt, dass Anstrengungsbereitschaft und Durchhaltevermögen zum Ziel führten. Gleichzeitig aber auch, dass man im Team Dinge erreichen kann, die man einzeln kaum oder viel, viel schwerer erreicht. Man hat die anderen in ihren Stärken und ihren Schwächen kennengelernt und geholfen, wenn es nötig war. Die Klassengemeinschaft ist so gestärkt worden.
Jedes Kind hat für sich erfahren, dass man ein Ziel erreichen kann, wenn man nicht aufgibt. Auch Hilfe geben und Hilfe nehmen ist eine Erfahrung, die das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl steigert. Die soziale Kompetenz als Grundvoraussetzung für Teamfähigkeit wurde erfahren und geübt.
Alles in allem Dinge, die man erfährt und die das Selbstbewusstsein und das Vertrauen in die eigene Leistung stärken. Das sorgt für Gelassenheit und Selbstvertrauen!

Persönliche Anmerkung
Es war ein Abenteuer, an dessen positivem Ausgang ich nie gezweifelt habe. Die Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit der Schüler eines dritten und vierten Schuljahres wurde eindrucksvoll dokumentiert.
Auch im Hinblick auf die weitere Arbeit mit den Kindern hat diese Fahrradtour nur Vorteile gebracht. Der Zusammenhalt und die Kenntnis der Stärken eines jeden Kindes, auch von denen, denen man eine solche Leistung gar nicht zugetraut hat, hat sich eindrucksvoll gezeigt.
Diese Sicherheit in die eigene Person wird die Arbeit positiv beeinflussen und auch hier werden sich die Kinder an Dinge heranwagen, die sie sich vorher nicht zugetraut haben.
Einige Kinder haben gemerkt, dass ihr Verhalten nicht unbedingt von sozialer Kompetenz geprägt ist.
Hier wird den Kindern die Möglichkeit gegeben werden, diese weiter auszubilden und gegebenenfalls am „Gruppentraining sozialer Kompetenzen“ teilzunehmen.

Das Abenteuer ist gelungen und ich muss hier an dieser Stelle sagen, dass ich eine solche Klassenfahrt jederzeit wieder machen würde. Auch wenn die Art der Klassenfahrt für Grundschulen sicherlich einzigartig im Bundesgebiet ist, so hat sie aus meiner Sicht nur Vorteile gebracht.
Vielleicht machen wir beim nächsten Mal aber keine Fahrradtour, sondern gehen irgendwo wandern. Wir werden sehen, welche Abenteuer auf uns warten.

Haus Hammerstein, das man auch mit dem Bus, der Bahn und mit dem PKW erreichen kann. ;-)