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Dialog für Polizei nicht zielführend!

Posted in Fahrrad, Nachdenkliches, and Polizei

   Am 17. Juni veröffentlichte die Polizei eine Meldung unter dem Titel: „POL-SU: Pkw-Fahrer übersieht Radler beim Abbiegen

   Dieses scheinbar standardmäßig Floskel „…übersieht Radler…“ bei dieser Polizeimeldungen machte mich neugierig. Beobachtet man die Polizeimeldungen, ist es auffällig, dass bei Autofahrer bei einem schuldhaft verursachten Unfall  „übersehen“ und Radfahrer „missachten“ bei Pressemeldungen verwendet wird.

In diesem Artikel wurde ebenfalls auf den fehlenden Helm verwiesen, der, wie in der Meldung spekulativ ausgedrückt, die Schwere der Verletzung hätte milder können. Im darauffolgenden Satz wird der Sachschaden auf 10.000 Euro beziffert.

Nun gibt es in unserem Land keine Helmpflicht, obwohl der Ruf danach immer wieder erschallt. Da es diese Pflicht nicht gibt, ist ein spekulativer Hinweis auf möglicherweise geringe Verletzungen aus meiner Sicht zu unterlassen.

Per E-Mail habe ich mich an die veröffentlichende Polizei gewandt. Den „Dialog“, der daraufhin zustande kam, können Sie hier nachlesen und sich ein eigenes Urteil bilden:

Von: Elmar Fischer
Gesendet: Donnerstag, 18. Juni 2015 09:07
An: pressestelle@polizei-rhein-sieg.de
Betreff: POL-SU: Pkw-Fahrer übersieht Radler beim Abbiegen

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Interesse verfolge ich die Polizeiberichte im Internet. In der Regel sind diese neutral und objektiv. Anders ist das leider bei obiger Meldung, in der der Eindruck entsteht, als hätte der Radfahrer, dem die Vorfahrt genommen wurde, eine Mitschuld an dem Unfall.

»Einen Schutzhelm, der wahrscheinlich die Schwere der Verletzungen gemildert hätte, hatte der 33-Jährige nicht getragen.«

Es gibt in Deutschland keine Helmpflicht. Aus diesem Grund ist die Erwähnung des fehlenden Helms unsachlich und erweckt beim Leser den Eindruck einer Mitschuld.

Schuld ist der Autofahrer, der dem Radfahrer die Vorfahrt genommen hat. Durch die Vorfahrtsmissachtung und dem daraus folgenden Zusammenstoß ist er auf das Dach des Pkws geschleudert worden.

Bitte erklären Sie mir den Grund dieser Mutmaßung in Ihrem Bericht.

Als nicht sehr sensibel empfinde ich den anschließenden Satz, der die Höhe des Sachschadens beziffert. Mich hätte an dieser Stelle mehr interessiert, ob es dem Radfahrer besser geht. Des Weiteren ist von Interesse, ob der Autofahrer alkoholisiert war, oder ob er während des Abbiegens ein Handy benutzte.

Ich fordere Sie auf, die unsachgemäße Mutmaßung aus obigem Bericht zu entfernen und bitte um mehr Achtsamkeit bei der Formulierung solcher Meldungen.

Ich weise schon jetzt fürsorglich darauf hin, dass ich ggf. den E-Mail-Austausch mit Ihnen veröffentlichen werde.

In Erwartung Ihrer zeitnahen Antwort verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen

Elmar Fischer


Am 19. Juni 2015 um 13:23 schrieb Polizei Rhein-Sieg <pressestelle@polizei-rhein-sieg.de>:

Sehr geehrter Herr Fischer,

danke für Ihre Mitteilung. Allerdings teilen wir Ihre Meinung der tendenziösen Berichterstattung nicht.

Es ist zwar richtig, dass keine Helmpflicht für Radfahrer besteht, doch halten wir es für wichtig, im Rahmen unserer Präventionsaufgabe auf die Schutzwirkung eines Fahrradhelms hinzuweisen und das Tragen eines Helms zu fördern. Dieser Schutz, der leider immer noch von zu wenigen Radfahrerinnen und Radfahrern genutzt wird, hätte völlig unabhängig von der Unfallursache und der Schuldfrage bei vielen Verkehrsunfällen die Schwere der Verletzungen mildern können. Darüber hinaus wird über die juristische Frage der Schuld erst im späteren Ermittlungsverfahren befunden. Daher sind eindeutige Schuldzuweisungen in aktuellen Unfallschilderungen nicht tunlich.

Wie Sie mitteilen, verfolgen Sie aufmerksam die Presseberichte der Polizei. Daher sollte Ihnen bekannt sein, dass Angaben bei Verkehrsunfällen z.B. zu einem möglichen Alkoholkonsum immer Bestandteil unserer Pressemitteilungen sind.

Ansonsten gehe ich davon aus, dass auch Sie das Tragen von Fahrradhelmen befürwortet. Schließlich hatten wir im vergangenen Jahr 249 bei Verkehrsunfällen verletzte Radlerinnen und Radler zu verzeichnen, wobei die Zahl der Schwerverletzten in den letzten Jahren stetig gestiegen ist.

Mit freundlichen Grüßen,
Herr B. –Leitungsstab/Pressestelle-

Den Namen habe ich anonymisiert.


Von: Elmar Fischer
Gesendet: Dienstag, 23. Juni 2015 14:41
An: Polizei Rhein-Sieg
Betreff: Re: POL-SU: Pkw-Fahrer übersieht Radler beim Abbiegen

 

Sehr geehrter Herr B.,

danke für Ihre schnelle und umfassende Antwort. Leider kann ich mich Ihrer Argumentation nicht vollständig anschließen.

Stellen Sie sich vor, Sie sind im Winter in Bayern und müssten, sobald Sie einen Schritt vor die Tür setzen, einen Helm tragen.
Grund dieser Winter-Helm-Pflicht in Bayern ist, dass Ihnen möglicherweise eine Dachlawine auf den Kopf fallen könnte. 

Begründet wird diese Helmpflicht mit Prävention.

Gott sei Dank ist das in Bayern anders, dort ist der Hausbesitzer präventiv tätig und bringt Schneefanggitter an. So kann man ohne Helm gefahrlos und ohne Angst vor einer Dachlawine den Aufenthalt dort genießen.

Ihre Argumentation ähnelt der des von mir erfundenen Szenarios. Präventiv ist, wenn der Radfahrer einen Helm auf dem Kopf hat, denn es könnte ihn ein Autofahrer anfahren. So zumindest argumentieren Sie in Ihrer Antwort an mich.

Eine Ermahnung an den Autofahrer hat nach der Meldung nicht stattgefunden! 

Die Schutzwirkung, die Sie dem Fahrradhelm zuweisen, können Sie allerdings nicht nachweisen. Es gibt keine Studie, die diese Schutzwirkung belegt.

Der Verweis auf einen Helm, der eine spekulative mögliche Wirkung unter unbestimmten Voraussetzungen haben kann,erweckt beim Leser nicht den Eindruck des Präventionsgedankens, sondern den Eindruck: Selbst schuld, hätte ja einen Helm tragen können.

Hier die verwendete Formulierung in der Meldung: »Einen Schutzhelm, der wahrscheinlich die Schwere der Verletzungen gemildert hätte, hatte der 33-Jährige nicht getragen.«

Auch ich bin für Prävention. Allerdings nicht beim Opfer, sondern beim Verursacher. Alles andere ist verkehrte Welt!

Ich verfolge aufmerksam die Pressemeldungen und stelle doch einige qualitative Unterschiede fest.
Einigkeit scheint allerdings darin zu bestehen, das Autofahrer grundsätzlich »übersehen« und Radfahrer ebenso grundsätzlich »missachten«.
In dieser Meldung ist da nicht so, was meines Erachtens eine rühmliche Ausnahme darstellt. Danke!

Der Verweis auf den Helm ist Gott sei Dank schon nicht mehr so häufig zu finden, denn, wie oben schon gesagt, ist dieSchutzwirkung nicht empirisch belegt.

Ich befürworte nicht das Tragen von Fahrradhelmen, sondern sehe das als eigenständige Entscheidung eines jeden Radfahrers.
Schaut man sich zum Beispiel in einer Radfahrernation wie den Niederlanden um, sieht man, dass dort kein Helm getragen wird. Eine Helmpflicht führt zu einem messbaren Rückgang des Radverkehrs, wie andere Studien belegen.

»Schließlich hatten wir im vergangenen Jahr 249 bei Verkehrsunfällen verletzte Radlerinnen und Radler zu verzeichnen, wobei die Zahl der Schwerverletzten in den letzten Jahren stetig gestiegen ist.«

Hier würde mich doch sehr eine Statistik interessieren, die zeigt, wer diese Verkehrsunfälle verschuldet hat. Gleichzeitig natürlich auch, wie oft der Helm dabei vor Verletzungen geschützt hat. Und, um das abzurunden, wie die Polizei darauf präventiv reagiert hat.

Ich hoffe, Sie können mir diese Unfall-Daten zur Verfügung stellen.

Aus diesem Grund erneuere ich meine Forderung, die Mutmaßungen aus obigem Bericht zu entfernen und bitte bei künftigen Berichten um mehr Achtsamkeit.

In Erwartung Ihrer Antwort verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Elmar Fischer


Am 24. Juni 2015 um 11:13 schrieb Polizei Rhein-Sieg <pressestelle@polizei-rhein-sieg.de>:

Sehr geehrter Herr Fischer,
eine Fortführung des Austauschs per Email scheint mir nicht weiter zielführend zu sein. Ich teile Ihnen daher mit, dass die Kreispolizeibehörde Ihre Eingaben nun im Rahmen eines offiziellen Beschwerdeverfahrens bearbeiten wird. Über den Fortgang des Verfahrens erhalten Sie Nachricht.

Herr R.

Leitungsstab/ Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Nicht mal mehr Zeit für eine Grußformel am Ende.


Von: Elmar Fischer
Gesendet: Dienstag, 24. Juni 2015 15:07
An: Polizei Rhein-Sieg
Betreff: Re: POL-SU: Pkw-Fahrer übersieht Radler beim Abbiegen

Sehr geehrter Herr R.,

wenn Sie einen Dialog nicht als zielführend einstufen, so ist das sicherlich nicht der Umgang, den ich mir als Bürger mit der Polizei vorstelle und erwarte.

Behauptungen Ihrerseits, deren Überprüfbarkeit nicht möglich ist, ist nach meinem Dafürhalten der Grund des »Dialog«-Abbruchs. Ich bedaure das, denn bisher hatte ich ein anderes Bild von Polizei.

Mit freundlichen Grüßen
Elmar Fischer

Am 16. Juli kam die Antwort der Polizei, die sich im Wesentlichen nicht von der vorherigen Antwort unterscheidet. Vielmehr habe ich den persönlichen Eindruck, dass die Frage und die damit verbundene Antwort als lästig empfunden wird und man versucht, mich abzuwürgen. Davon lasse ich mich allerdings nicht beeindrucken und bereite gerade die Antwort darauf vor.


 

Hier nun, wie schon angekündigt, die Antwort, die ich gerade – 22.7.2015 – an die zuständige Sachbearbeiterin versandt habe:

Sehr geehrte Frau M.,

ich danke für Ihr Schreiben, bin allerdings nicht bereit, mich Ihrer Meinung so anzuschließen.

Auch Sie bleiben den Nachweis des Schutzes, den ein Fahrradhelm Ihrer Meinung nach bietet, schuldig. Sie äußern nur eine Vermutung, die Sie nicht belegen können oder wollen.
Der Hinweis auf den Helm in der Pressemeldung ist deshalb ebenso spekulativ wie die Schutzwirkung, die Sie dem Helm zusprechen wollen.
Das stereotype Anwenden dieses, teilweise spekulativen Hinweises auf den Helm, hat nur zum Ziel, auf die vermeintliche Schutzwirkung des Helmes hinzuweisen, auch wenn diese gar nicht vorhanden ist. Dieses Verfahren ist in der Psychologie als „Subliminal“ bekannt. Die so verbreitete Botschaft ist dadurch allerdings nicht gleich als „richtig“ einzustufen

Auf den Hinweis, dass Prävention nicht beim Opfer, sondern beim Verursacher beginnen müsste, reagieren Sie nicht. Stattdessen entnehme ich Ihrem Schreiben, dass mein Einwand als lästig empfunden wird und deshalb kurz und schmerzlos abgewürgt werden soll. Da stelle ich mir den Dialog mit der Polizei als Freund und Helfer anders vor.

Ich wehre mich dagegen, dass Sie in Ihren Meldungen Objektivität vermissen lassen und sich stattdessen Spekulationen hingeben, die den Eindruck beim Leser erwecken, dass der Radfahrer mindestens eine Mitschuld trägt, denn: Er hätte sich durch einen Helm ja schützen können. Dies verpackt unter dem Mäntelchen »Prävention« macht meines die Meldung dadurch meines Erachtens nicht besser.

Die Statistik über die bei Verkehrsunfällen verunfallten 249 Radfahrer sind Sie ebenfalls schuldig geblieben: Unfallursache, beteiligte Verkehrsteilnehmer, Abbiegeunfälle usw. und ganz besonders wichtig, inwieweit hatte der Fahrradhelm dabei eine Schutzfunktion.

Präventive Maßnahmen der Polizei, die die Autofahrer sensibilisieren, vermisse ich komplett.

Gleichfalls möchte ich an dieser Stelle auf die Pflichten eines Beamten verweisen:
»Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zählen u. a.:

die Neutralitätspflicht der Beamten, unparteiische Amtsführung, Eintreten für die Freiheitliche demokratische Grundordnung (§ 35 BRRG, § 52, § 53 BBG),

…«
Die Polizei sollte durchaus bereit und in der Lage sein, eigenes Handeln zu überprüfen. Dieses sehe ich nach Ihrem Schreiben nicht und fordere Sie auf, mir einen Ansprechpartner mit E-Mail-Adresse Ihrer dienstvorgesetzten Stelle mitzuteilen.

Mit freundlichen Grüßen
Elmar Fischer

Hier noch einmal die Pressemeldung als Screenshot.
Pressemeldung der Polizei
Pressemeldung der Polizei