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Der Offene Ganztag und die Hausaufgaben an einer Brennpunktschule

Posted in Allgemeines, Lernen, Organisation, and Schule

IST-STAND
Durch den Offenen Ganztag ist die Schule für viele Schüler faktisch eine Ganztagsschule. Wir versuchen, den Nachmittagsbereich für die Schüler abwechslungsreich und anregend zu gestalten und gleichzeitig in vielen Bereichen durch das Aufgreifen morgendlicher Themen eine Verzahnung zwischen Schule am Vormittag und Offenem Ganztag am Nachmittag anzubahnen und zu festigen. Dies bedeutet, das die eigene Arbeit überprüft wird und Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler in die Arbeit des Offenen Ganztags aufgenommen werden.

Nun beginnen wir nach den Sommerferien das dritte Jahr Offener Ganztag an Kölner Brennpunktgrundschule.
Nach einem Jahr beschlossen wir einen Trägerwechsel mit einer weit verbesserten Angebotspalette.
Am Ende dieses Schuljahres hat unsere schulinterne Evaluation ein neues Phänomen in den Blick gerückt, das im Folgendem beschrieben wird.

PROBLEMATIK
Gerade an einer Brennpunktschule wie der unseren vergrößert sich die Kluft zwi-schen den Kindern, die den Ganztag besuchen und den Kindern, die den Ganztag nicht besuchen.
Dies wird gerade im  Bereich Hausaufgaben deutlich sichtbar.
Schon die Anfertigung der Hausaufgaben ist bei Kindern mit Migrationshintergrund und häufig damit verbundenen Sprachdefiziten ein Problem, bei dem die Eltern nicht helfen können. Sicherlich kann man hier bemerken, dass alle Eltern die Möglichkeit haben, ihr Kind im Ganztag anzumelden, um so die schulischen Anforderungen und Möglichkeiten ihres Kindes zu unterstützen. Richtig, aber die Gründe, warum keine Anmeldung erfolgt, sind vielfältig und nicht immer nur in mangelnden finanziellen Möglichkeiten zu suchen.

GRÜNDE
So werden Mädchen, die kurz vor der Pubertät stehen, abgemeldet, obwohl gerade bei diesen Mädchen ein besonders positiver Effekt zu beobachten war. Nicht nur die Leistungen verbesserten sich, sondern auch das Selbstwertgefühl und das eigene Rollenverständnis veränderte sich – die Mädchen wurden selbstbewusster.
Auch das Angebot, dass wir dank der finanziellen Ausstattung den Kindern anbieten können, kann in seiner Vielfältigkeit von Eltern für die eigenen Kinder schon auch aus zeitlichen Gründen nicht annähernd angeboten werden.
Das Angebot des Ganztags regt die Kinder auf vielen Ebenen an. Sie lernen Angebote kennen und können diese ausprobieren, mit denen sie sonst vielleicht nie in Kontakt gekommen wären. Kreatives Tun, sich Leistungsanforderungen stellen und daran wachsen sind nur einige Aspekte, die zur Stärkung der Kinder beitragen.

HAUSAUFGABEN
Besonders deutlich wird die Hilfe und Förderung im Bereich der Hausaufgaben, die, unter betreuter Anleitung erstellt, einen wesentlich erhöhten Übungs- und Lerneffekt haben. Gerade bei Kindern mit Migrationshintergrund und den damit verbundenen Schwierigkeiten  bei der Hausaufgabenerstellung, kommt dieser Förderung eine be-sondere Bedeutung zu.

Von der Hausaufgabe zur Schulaufgabe (Übungs-(Lernzeit)
Hausaufgaben im Ganztag kann es eigentlich nicht geben, denn das würde bedeuten, dass nach dem Ganztag noch Hausaufgaben angefertigt werden müssen. Aus diesem Grund möchte ich im Folgenden von Lern- und Übungszeit sprechen, denn Hausauf-gaben war im Schuljahr 2006/2007.
Im letzten Schuljahr hat sich gezeigt, dass sich an der Hausaufgabe dokumentiert, wie positiv sich die Hilfe  durch die Ganztagshausaufgabenbetreuung auswirkt und welche Probleme weiterhin bei den Kindern bestehen, die den Ganztag nicht be-suchen.
Unvollständige, nicht angefertigte und falsche Ergebnisse waren häufig bei den Hausaufgaben der Kinder festzustellen, die nicht den Ganztag besuchten.

ELTERN
Ein Grund dafür ist sicherlich in der mangelnden Unterstützung durch die Eltern zu suchen. Nicht, dass die Eltern ihre Kinder nicht unterstützen wollen, sie können es nicht, wie dieses und weitere Beispiele zeigen werden.
So sind die Eltern häufig aufgrund eigener Bildung und mangelnder Sprachkenntnisse gar nicht in der Lage, ihren Kindern zu helfen. Viele Väter, die im Berufsleben eingebunden sind, sprechen unsere Sprache gebrochen und häufig so, dass sie nur mit viel Mühe zu verstehen sind. Viele Frauen sprechen kein oder kaum Deutsch. In ihrem Bemühen um die eigenen Kinder benutzen sie teilweise die falschen Instrumente und können sich schwerlich gegen die Wünsche der eigenen Kinder durchsetzen. Dass hier unbedingt Hilfen erforderlich sind und die Eltern dies auch annehmen, zeigt unser ElternCafé, das in der Regel von mindesten einem Drittel unserer Elternschaft besucht wird.

SCHWIERIGKEITEN DURCH MANGELNDE HAUSAUFGABEN
Was aber tun, wenn ein Teil der Schüler die Hausaufgaben richtig und vollständig angefertigt hat, ein Teil aber nicht. Die weitere Nutzung von Differenzierungsmöglich-keiten hilft hier leider nicht weiter, sondern stößt auch an die eigenen Grenzen. Bei kontinuierlich weiter auseinanderklaffender Qualität bei der Anfertigung der Hausauf-gaben ist hier schnell die Grenze des Machbaren erreicht.

DIE LÖSUNG!?
Um diesem Problem zu begegnen, aber nicht, um die Eltern aus ihrer Verantwortung zu entlassen, werden wir im kommenden Schuljahr für alle Kinder eine Übungs-/Lernzeit einführen, die folgendermaßen gestaltet sein wird:
Alle Kinder der Schule, unabhängig davon, ob sie den Ganztag besuchen oder nicht, haben täglich eine Stunde Übungs-/Lernzeit in der eigenen Klasse und nach Möglichkeit beim eigenen Klassenlehrer oder der eigenen Klassenlehrerin.
Eine Änderung des Stundenzwecks ist nicht möglich!

WEITERE FÖRDERUNG
Die Mitarbeiter, die bisher im Ganztag die Hausaufgabenbetreuung verantwortlich geführt haben, werden nicht überflüssig. Sie werden im Ganztag die Förderung für Ganztagskinder zum Beispiel durch die Einrichtung einer Lesegruppe für Erstleser unterstützen. Diese Fördergruppen können flexibel an den Bedarf der Kinder aus-gerichtet und eingerichtet werden.

ERWARTUNGEN
Durch die qualifizierten Hilfen und Anleitungen für alle Kinder unserer Schule wäh-rend der Übungs-/Lernzeiten erwarten wir durch die individuelle Förderung in dieser Zeit eine Verbesserung der Leistungen bei allen Schülern durch die Ausräumung sozialer Nachteile in diesem Bereich.

UNTERSTÜTZENDE MAßNAHMEN
Mangelnde Unterstützung durch die Familie ist auch in anderen Bereichen zu beobachten, die eigentlich für uns selbstverständlich sind. So ist es häufig so, dass benötigtes Arbeitsmaterial nicht oder sehr verspätet vorhanden ist oder schlicht das falsche Arbeitsmaterial gekauft wurde, weil es gerade im Angebot war. Falsche Liniatur in Heften, unbrauchbare Bleistifte oder unbrauchbarer Kleber sind die Regel und nicht die Ausnahme. Aus diesem Grund wird die Schule diese Arbeitsmaterialien zentral besorgen und die Eltern mit dem entsprechenden Geldbetrag belasten. Somit ist der Arbeitsstart zu Schuljahresbeginn sofort gesichert.

WAS WIR NICHT WOLLEN
Alle hier aufgeführten Maßnahmen sollen die Kinder in ihrer Entwicklung unterstützen und nicht die Eltern aus der Verantwortung entlassen. Sie sollen eine Hilfe sein und im Dialog über die Hilfen die Elternarbeit intensivieren.

MÖGLICHE FOLGEN
Muttersprachlicher Unterricht
Der muttersprachliche Unterricht muss komplett in den Nachmittag verlegt werden, um die kontinuierliche Arbeit der Schüler am Vormittag nicht zu stören oder gar zu unter-brechen.
Mittagessen
Da diese Übungs-/Lernzeitstunde die Stundentafel der Schüler erweitert, ist eine längerer Verbleib in der Schule nötig. In den FLEX-Jahrgängen ist hier sicherlich nicht die Bereitstellung eines Mittagessens nötig. Bei Bedarf kann für die Kinder der 3. und 4. Schuljahre sicherlich eine Möglichkeit für das Mittagessen gefunden werden.

DIE „FINANZIERUNG“
Als Brennpunktschule erhalten wir auch in diesem Schuljahr zusätzliche Unterrichts-stunden, um die Integration von Schülern mit Migrationshintergrund zu fördern. Diese Stunden und die Stunden, die wir als Lehrerstunden in den Ganztag geben müssen, werden für diesen Versuch eingesetzt.

EVALUATION
Beobachtungen, Hemmnisse und Ideen zur Verbesserung oder anderen Gestaltung dieser Übungs-/Lernzeit werden in unseren Konferenzen besprochen.
Der Schwerpunkt individuelle Förderung kann in Zukunft durch den Schwerpunkt selbstständiges Lernen ergänzt werden.