Grundsätzlich muss man unterscheiden zwischen gebundenem Ganztag und offenem Ganztag. Ersterer ist verpflichtend für alle Schüler, letzterer dagegen freiwillig. Wird heute in den Medien von Ganztag geschrieben, wird diese Unterscheidung nicht konkret benannt. Dabei sind es ganz verschiedene Ansätze.
In NRW ist das häufigste Modell der offene Ganztag
Das favorisierte Modell in NRW ist der offenen Ganztag und nicht der gebundene Ganztag. Die Berichte beziehen sich in der Regel, so vermute ich, auf den offenen Ganztag.
Ich erinnere mich noch gut an die Zeit als der Ganztag, besser der offene Ganztag, in Köln eingeführt wurde. Gerüchte gingen schon länger durch die Schulen und als es dann hieß, dass die Horte bis zu einem Stichtag aufgelöst würden, war es klar, der offene Ganztag würde kommen.
Die ersten Schulen, die die Voraussetzungen für den offenen Ganztag geschaffen hatten, haben diesen zeitnah eingeführt und waren ordentlich ausgestattet worden. Andere Schulen war in der Beobachtungsphase, denn das war Neuland und musste kritisch beäugt werden.
Auch ich überlegte, ob das eine Option für die Schule wäre, die ich zu diesem Zeitpunkt leitete. Anfangs dachte ich in meinem jugendlichen Leichtsinn, dass das Hortpersonal, das im Hort auf unserem Schulhof arbeitete, übernommen werden könnte. Das war natürlich nicht so. Qualifiziertes Personal musste sehen, wo es blieb. Manche wurden in Kindertagesstätten übernommen, andere wollten als Horterzieher nicht in den Kleinkindbereich der Kindergärten wechseln. Mir hätte das sehr gefallen, mit diesen erfahrenen Erziehern zusammenzuarbeiten.
Offener Ganztag – Schule und Träger
Aber das Konstrukt der offenen Ganztagsschule war anders ausgelegt.
Ein Träger übernahm das Personal- und Finanzmanagement und sollte in enger Zusammenarbeit mit der Schulleitung ein Konzept entwickeln, das die Schüler förderte. Schulleiter konnten nicht entscheiden, mit welchem Träger sie zusammenarbeiten wollten, dazu musste ein Schulkonferenzbeschluss herbeigeführt werden.
Der Träger stellte das Personal ein und bestimmte die pädagogische Arbeit im Ganztag, indem er auf seine Erfahrung verwies. Meist beschränkte sich das auf Aufsicht in der Zeit der Mahlzeiten, auf dem Schulhof und bei den Hausaufgaben.
Weitere Angebote mussten mühsam, durch ständiges Nachfragen durch die Schulleitung installiert werden. Meist wurde das mit dem Hinweis auf ausgeschöpfte Finanzmittel abgewiesen. Eine Kontrolle, wie das für die Schule zur Verfügung stehende Geld eingesetzt worden ist, stand der Schulleitung nicht zu. Hohe Personalkosten durch die Doppelbesetzung der Gruppen – wohl angelehnt an Erfahrungen aus dem Hort, dezimierten das Budget, sodass für andere Dinge kaum noch Geld vorhanden war.
Hausaufgabe, das Thema, das den offenen Ganztag dominiert
Hausaufgabe und Ganztag schließen sich meines Erachtens schon vom Begriff her aus. Es gibt Möglichkeiten, die Hausaufgaben durch andere Angebote zu ersetzen. Ein solches Angebot habe ich entwickelt und umgesetzt. Dadurch war ausreichend Geld für AGs vorhanden, sodass ein breites Angebot zur Auswahl zur Verfügung stand.
Hausaufgabenbetreuung an einer Brennpunktschule führt meist dazu, dass die soziale Schere weiter auseinanderklafft. Dem ist auch entgegenzuwirken und zeigt gleichzeitig ein Problem von “offenen” Ganztagsangeboten. Zumindest dann, wenn sie an Brennpunktschulen eingeführt wird.
Hier wäre eine Ganztagsschule, an der alle Schüler teilnehmen, meines Erachtens das Mittel der Wahl.
Häufig nicht anders als damals mit Schule und Hort
Faktisch ist es heute so, dass zwar das Gebäude des offenen Ganztags in der Nähe der Schule angesiedelt ist – Gebäude auf dem Schulhof – aber die Unterrichtsräume in der Regel, auch wenn sie am Nachmittag frei sind, häufig nicht genutzt werden, weil Lehrer sich dagegen wehren. Es scheint allerdings, nicht zuletzt wegen des großen Platzbedarfes ein Umdenken stattzufinden.
Im Grund ist es im offenen Ganztag nicht anders als zu den Zeiten, als es den Hort noch gab. Schule und Hort liefen getrennt und hatten wenige Berührungspunkte. Die Erzieher im Hort waren allerdings entsprechend ausgebildet was im offenen Ganztag nicht die Regel ist.
Auch im Hort war die Hausaufgabe zentrales Thema und Rückmeldungen an die Schule oder umgekehrt, betrafen auch meist dieses Thema.
Das ist heute bei Schule und offenem Ganztag nicht viel anders. Sie laufen nebeneinander her und Themen sind meist nur verhaltensauffällige Schüler, Hausaufgaben und manchmal die Angebote, die gemacht werden.
Das Hauptthema ist meist die Hausaufgabe, weil Eltern die Fehlerfreiheit der im offenen Ganztag gemachten Hausaufgabe mit der Qualität der Betreuung gleichsetzen.
Lehrer sehen es des Öfteren ähnlich. Sie verlassen sich auch gerne darauf, dass schwächere Schüler gefördert werden. Häufig arbeiten auch Lehrer im Rahmen der Stunden, die die Schule dem offenen Ganztag an Lehrerstunden zur Verfügung stellen, in der Hausaufgabenbetreuung. Zur Erinnerung: Hausaufgaben und offener Ganztag, vom Begriff her schon nicht stimmig!
Ausbildung muss an die Anforderungen angepasst werden
Diese Schwierigkeiten gehen meines Erachtens darauf zurück, dass Lehrer nicht für diese Aufgabe ausgebildet sind und sie Schule so sehen, wie sie sie selbst erlebt haben.
Diese Denkweise muss spätestens während des Studiums durchbrochen und der Lehrer entsprechend ausgebildet werden. Dieser Schwerpunkt muss sich praktisch im Referendariat fortsetzen.
Die Möglichkeiten, die ein offener Ganztag bietet, entsprechen zum Beispiel nicht der Rhythmisierung eines gebundenen Ganztages. Hier kann der Unterricht über den Tag verteilt geplant und von anderen Aktivitäten unterbrochen werden.
Im offenen Ganztag ist die Rhythmisierung an den Vormittag gebunden, durch das Mittagessen, die Hausaufgaben im offenen Ganztag weitestgehend vorgegeben.
Es muss nicht immer Hausaufgabe sein
Nach Schulschluss gehen viele Schüler nach Hause und machen dort ihre Hausaufgaben. Die Schüler, die im offenen Ganztag verbleiben, machen dort ihre Hausaufgaben. ;-)
Hier könnte man sicherlich auch ein anderes Modell finden, das allen Schülern zugute kommt.
Sie merken, dass mir das Thema Hausaufgaben am Herzen liegt. Ich halte es insgesamt für nicht mehr zeitgemäß. Übungszeiten, um zum Beispiel Rechtschreibung, Lesen, Einmaleins und so weiter zu üben, sind sinnvoll.
“Hausaufgaben” können allerdings so gegeben werden, dass sie die Selbstständigkeit, Selbsttätigkeit und das eigenverantwortliche Lernen des Schülers entwickeln helfen. Die Grundlagen dazu können sicherlich im Unterricht gelegt werden.
Eine andere Möglichkeit, den offenen Ganztag seitens der Schule zu organisieren und zu entwickeln
Die Sache mit dem Träger, der gegen eine sogenannte Overhead-Pauschale das Personal- und Finanzmanagement übernimmt, ist meines Erachtens ebenfalls zu überdenken. An Stelle des Trägers kann vielleicht eine doppelte Schulleitung treten, die die Schule und den offenen Ganztag leitet. Die Schwerpunkte der Schulleitung könnten unterschiedlich sein. So ist ein Teil der Schulleitung fürs Management zuständig, der andere Teil für die pädagogische Entwicklung. Das Geld könnte so ungekürzt in den Ganztag fließen. Die pädagogische Ausrichtung einer Schule könnte so ohne den Ballast der Verwaltung, wie es ein Schulleiter an heutigen Grundschulen häufig auch ohne Konrektor neben der eigenen Unterrichtsverpflichtung erledigen muss, stattfinden. Das kostet zwar etwas mehr Geld, käme aber sicherlich unseren Schüler zugute.
Es gibt viel zu tun. Packen wir es an und schaffen eine Schule, in der Lernen und Leben vereint wird, in die man gerne geht.