Es scheint, als würde an der Weltorganisation gerüttelt, als lebten wir in einer Welt des Umbruchs. Veränderungen wird es geben, gibt es schon, denn viele Menschen verlassen ihre Heimat und suchen sich einen anderen Ort, an dem sie ihr Leben leben wollen. Solche Völkerwanderungen hat es schon des Öfteren gegeben. Manche Orte, die von solchen Menschen gegründet worden sind, beherbergen heute die Menschen, die das Fremde vehement ablehnen.
Ich muss sagen, ich bin kein Kenner und kann mich auf keine empirisch gesicherte Studie berufen, habe aber einen Eindruck. Dieser besagt, dass in der Regel die Bildungsverlierer in unserem Land gegen Flüchtlinge sind und auch vor Gewalt gegen diese Menschengruppe nicht zurückschrecken.
Viel zu viele Bildungsverlierer in unserem Land!
Es gibt viele Bildungsverlierer in unserem »Wohlstands« Land. Beschäftigt man sich etwas mit den Pisa-Studien, die ich für überflüssig halte, denn sie werden nicht als Grundlage der Veränderung zu einer anderen Schule genutzt. Nach einer leichten Besserung geht es meist wieder bergab. Schulschwänzer lässt man von der Polizei holen und die Eltern müssen Bußgelder zahlen. Meist können sie das gar nicht, weil der Familienlebensunterhalt durch die Leistungen von Hartz IV bestritten wird. Schlechte Leistungen in der Schule führen zur Demotivation, eine Fünf oder Sechs nimmt auch den letzten Funken Hoffnung für diese Kinder auf bessere Noten und damit auch auf Schulerfolg.
Statt Bußgelder zu verhängen, die Schüler durch die Polizei zum Unterricht bringen zu lassen, wären meines Erachtens Ursachenforschung und eine andere Art der Bewertung eine Möglichkeit, auch den “bildungsferneren” Schülern einen akzeptablen Weg durch die Schule zu ermöglichen.
Zwei Punkte habe ich oben schon genannt, die meiner Meinung nach Mitursache für Bildungsversagen sind.
Ein Punkt ist die Form der Bewertung. Damit meine ich nicht einmal die Noten, obwohl ich sie im großen und ganzen als überflüssig erachte, sondern mehr der Weg, wie es zu einer Beurteilung kommt.
Der Blick auf Stärken oder Schwächen eines Schülers – was motiviert ihn?
Man kann den Blick auf die Schwächen eines Schülers richten und daran die Bewertung ausrichten. Das nennt man auch Defizitbewertung und ist eine Auslesebewertung. Das Wort gefällt mir gar nicht, aber ich kenne kein besseres. Hinzukommt, dass diese Form des Fokusses für im Moment nicht so leistungsstarke Kinder demotivierend ist. „Wenn ich nichts recht machen kann, strecke ich die Flügel und lasse es.“ Mindestens die Möglichkeit einer Besserung muss erhalten bleiben, um die Motivation zu erhalten.
Die andere Möglichkeit ist es, den Fokus auf die Stärken zu legen.
Stärken hat jeder Mensch und wenn diese gesehen werden und in die Bewertung einfließen, stärkt das das Selbstbewusstsein. Mit gestärktem Selbstbewusstsein traut man sich auch an Dinge, die erst als zu schwierig erscheinen. Der Berg ist plötzlich nicht mehr zu hoch und man traut sich, ihn zu besteigen. Daran ändert auch ein Scheitern nichts. Ein neuer Versuch wird gewagt. Lernen macht Spaß, weil der Schüler sieht: Ich kann was!
Dieser Blick ändert auch die Lehrereinstellung und das Lehrerverhalten hin zum Lernbegleiter, Helfer und Moderator. Beziehung – wichtig fürs Lernen – und wertschätzender Umgang miteinander ist die Folge.
Die Wirklichkeit ist anders und Noten dienen auch zur Disziplinierung.
Leider hat sich diese Einsicht bisher nicht überall herumgesprochen. Lehrer, die ihr Leben lang das System nicht verlassen haben – “Kindergarten – Grundschule – Gymnasium – Universität – Referendariat – Schuldienst” – übernehmen das, was sie vorfinden, denn es entspricht den eigenen Erfahrungen. Man selbst hat es auch geschafft, ist häufig der Meinung und das Gedächtnis ist so gnädig und lässt die Schwierigkeiten und alles Negative in der Rückschau verblassen. Bewertung wird zur Disziplinierung genutzt, Ängste geschürt.
Ich erinnere mich an eine Gymnasiallehrerin, die sagte: „Wenn ich in eine Klasse komme, steht jeder erst einmal sechs. Wenn er mitmacht, ändert sich die Note nach oben.“ Was für ein ein pädagogischer Ansatz!
Gleichfalls gibt es offene Drohungen: Wenn du das nicht machst, bekommst du eine Fünf!
Hier muss sich etwas ändern! Etwas so ändern, wie die Ministerpräsidenten Hannelore Kraft immer wieder sagt: Wir lassen niemanden zurück.
Stimmt die Aussage: Wir lassen niemanden zurück?
Aber genau das wird gemacht.
Zurückgelassen und nicht mitgenommen. Gekürzt in einem Bereich, in den jeder Euro sinnvoll angelegt ist. Eine Sicht von Schule, die nicht auf Auslese basiert, sondern auf Wertschätzung und Stärkenförderung sollte der Standard sein!
In eine solche Schule gehen auch Kinder aus bildungsfernen Schichten gerne. Dort lernen sie und schaffen den Abschluss. Sogar eine Berufsausbildung sollte dann möglich sein. Es muss nicht jeder ein Studium absolvieren, um glücklich zu werden. Ein Handwerk macht sicherlich ebenso glücklich, wenn es der Wunsch ist. Die Voraussetzungen durch den Schulabschluss wären gegeben.
Verschärfung der Situation für Flüchtlinge – Schule wird es richten!
Haben wir mehr erfolgreiche Schüler, erleben weniger, häufig auch junge Menschen, die Hoffnungslosigkeit, die einem Bildungsversager fast schon auf die Stirn geschrieben ist.
Das Vertrauen auf die eigene Stärke macht neugierig auf Fremdes. Man steht nicht mehr in der Hierarchie an letzter Stelle in der Gesellschaft und muss seinen Frust und seine “Minderwertigkeit” nicht dadurch abbauen, dass man Flüchtlinge so behandelt, wie es an manchen Orten in unserem schönen Land geschehen ist und geschieht. Das erfüllt mich mit Scham, auch, weil ich denke, dass wir versagt haben.
Dieses allgemeine Lustigmachen über die Intelligenz z.B. von Nazis sagt mehr über den Menschen aus, der so redet als über den so verunglimpften Menschen.
Durch die Flüchtlinge, die nun zu uns gekommen sind, muss unser Augenmerk auf Schule liegen! Auch mit Blick auf unsere Bildungsversager und eine Änderung unserer Sichtweise bei der Bewertung.
Geschieht dies nicht, wird die soziale Schere sich immer weiter öffnen. Die möglichen Konsequenzen kann sich jeder ausmalen.
Ziel muss sein, dass Schule sich entwickelt, wie Oscar Wilde es einmal gesagt hat:
„Die Schule müsste der schönste Ort in jeder Stadt und in jedem Dorf sein, dass die Strafe für undisziplinierte Kinder darin bestünde, am nächsten Tag nicht in die Schule gehen zu dürfen.“
Dazu gehört auch, dass die Gelder ungehindert dorthin fließen, wo sie angelegt werden sollen und nicht noch „Gebühren“ für die Verteilung bei den Kommunen erhoben werden. Glaubt man den Politikern, fließt immer mehr Geld in Schule. Ich frage mich, warum kommt es nicht an? Dass es nicht ankommt, liegt auf der Hand,
- denn sonst sähen die Schulen nicht so aus, wie sie es tun.
- denn sonst wäre die Ausstattung besser.
- denn sonst wäre Teamteaching Standard und nicht stundenweise Ausnahme.
- denn sonst wären nicht so viele unausgebildete Menschen im Schuldienst als Lehrer tätig.
- denn sonst …